Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
nicht mehr umstimmen. Sein Hass wurzelte zu tief im steinhart gebackenen Boden Jahrhunderte alter Feindschaft. Ein Teil von mir verstand ihn sehr wohl. Der weitaus größere jedoch blickte nach vorne. Wenn ich etwas gelernt hatte in den letzten Wochen, dann keinen Blick zurückzuwerfen. Um keinen Preis. Und exakt dies würde ich jetzt tun.
Überraschenderweise ergriff zum ersten Mal Ey-or-oys das Wort. Bisher war ich der Auffassung gewesen, er beherrschte anders als sein Genosse nicht die Sprache der Menschen. Dies sollte sich nun als Trugschluss erweisen.
Mit glockenklarer, an die eines Knaben erinnernden Stimme sagte er: „Verzeih die harten Worte meines leidgeprüften Gefährten. Ich gebe zu, auch ich heiße es gut, dass die Menschen mit Stumpf und Stiel von Eyllas-Aundri getilgt werden. Doch ich bedauere es desgleichen. Menschen wie du, Jack Schilt, hätten sich das Recht, hier zu leben, verdient. Nun wird es nicht mehr dazu kommen. Eure Zeit ist abgelaufen. Damit erfüllt sich die Prophezeiung.“
Wenig wusste ich darauf noch zu sagen. Ich ließ die beiden Uhleb stehen und setzte mich in Bewegung.
Robs Opfer sollte nicht umsonst gewesen sein.
37 SCHWANENGESANG
Krister wagte keine Prognose, wie lange sein Bewusstsein ausgesetzt hatte. Finsternis umgab ihn, als er es endlich wiedererlangte. Für einen Moment glaubte er sich zurück im unterirdischen Reich der Ar-Nhim, doch sehr bald drängten die jüngsten Ereignisse wieder zutage. Zu keiner Zeit hatte sein Körper an allen denkbaren Stellen so geschmerzt wie heute. In der Tat, er hatte die Prügel seines Lebens bezogen. Er versuchte sich auf die wenigen Stellen zu konzentrieren, die ihn nicht quälten, eine nicht ganz einfache Aufgabe. Dabei bemerkte er, kein Gefühl mehr in den Armen zu haben. Furcht überkam ihn. Was war mit ihnen geschehen? Die Nackenmuskeln protestierten lautstark, als er sie in Bewegung setzte, um das Kinn anzuheben, welches auf der Brust ruhte. Diese Aktion schien Ewigkeiten zu dauern. Als er mit dem Hinterkopf eine Wand berührte und ihn sacht dagegen lehnte, ließen die peinigenden Schmerzen in seinem Genick endlich nach.
Erst jetzt realisierte Krister, mit ausgestreckten Beinen auf dem Boden zu sitzen. Über ihm hingen zwei Hände, die er als die seinen identifizierte. Sie hingen schlaff herab, als wären sie an den Handgelenken gebrochen. Es dauerte einen Moment, bis der Gefangene begriff. Beide Arme waren nach oben gebunden worden. Gemessen an der denkbaren Zeit, die er sich in dieser unnatürlichen Position befand, durfte er sich nicht wundern, sie nicht mehr zu spüren. Womöglich verbrachte er schon Stunden in dieser äußerst misslichen Lage. Dennoch machte sich Erleichterung breit. Sah ganz so aus, als wäre alles noch dran...
Dann kehrte die Erinnerung Stück für Stück zurück. Krister stöhnte, als ihm die Einzelheiten der Gefangennahme wieder ins Gedächtnis strömten. Avaleas bitterer Verrat, an dem er sich immer noch gewisse Schuld gab, trieb ihm Tränen der Wut in die Augen. Noch mehr plagte ihn die eigene Hilflosigkeit.
Wo waren die anderen? Konnte es wahr sein und all die Entbehrungen der letzten Zeit waren umsonst gewesen? Krister fürchtete bereits den Gedanken.
„Hallo?“ rief er stattdessen in die Düsternis hinein. „Hallo, ist da jemand?“
Niemand antwortete. Es blieb still. Was hatte er erwartet? Ob es Sinn machte, um Hilfe zu rufen? Wohl kaum.
Quälender Durst stellte sich ein, der wohlbekannte, hartnäckige Begleiter der vergangenen Wochen. Alsbald sank Kristers Kinn wieder auf die Brust zurück. Nutzlos, auf Hilfe oder Wasser zu hoffen. Nicht hier. Nicht in der Gewalt seiner Feinde.
Der Gefangene dämmerte in trügerischen Halbschlaf hinüber, welcher keine Erholung versprach. Stunden vergingen und nichts passierte. Hin und wieder schreckte Krister hoch, verließ für einen Augenblick jenes sonderliche Stadium zwischen Wachzustand und Bewusstlosigkeit. Zeitweise wusste er genau, wach zu sein, sah sich aber außerstande auch nur die geringste Bewegung auszuführen. Einmal glaubte er zu ersticken und hustete sich beinahe die Lunge aus dem Leib. Und immer wieder das schmerzliche Verlangen nach Wasser. Bunte Lichter tanzten vor seinen Augen, farbige Kreise hüpften auf und ab. Begann schon das Dilirium?
Krister wusste nicht im Mindesten, wie viel Zeit vergangen war, als er deutlich spürte, nicht mehr allein zu sein. Seine erwachenden Sinne schlugen Alarm. Irgendetwas hatte sich verändert.
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