Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
Unkenntlichkeit verformten Klaue hervorschauen – dann schlug ich instinktiv beide Hände vor die Augen.
Ein stechend heißer Lichtblitz brandete wie eine Schockwelle gegen meinen gebeutelten Körper. Ich sog den Geruch verbrannten Fleisches ein. Meine Haut brannte, als stürzte ich in einen Bottich kochendheißen Wassers. Noch während ich in die Knie ging, erlosch das grelle Licht. Die Hitze ebbte umgehend ab. Unverzüglich kehrte trügerische Stille ein, eine Stille wie zwischen zwei Donnerschlägen bei aufziehendem Gewitter.
Der Ghaia war lautlos verschwunden. Die Augen aufschlagend sah ich nichts mehr, nichts außer leichtem Nachglühen aus dem Abgrund.
Langsam richtete ich mich auf und schlich, dem Frieden nicht trauend, bis an den Rand der Grube. Erstmals wagte ich einen Blick hinunter in die Tiefe, in der der Ghaia so viele Jahrhunderte gehaust hatte.
Nichts war erkennbar, ein bodenloser Schlund gähnte mir entgegen.
Hier und da flimmerte es noch ein wenig, doch führte ich dies auf meine arg in Mitleidenschaft gezogenen Augen zurück.
Dann ließen sich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Robs Tod drängte mit Wucht ins Bewusstsein. Was auch immer geschehen sein mochte, wer auch immer tot und vernichtet da unten in der Tiefe lag, einer davon war mein Bruder. Alle Belastung fiel von mir ab und machte der Trauer Platz, die nun jeden Winkel meines Ichs erfüllte.
„Warum?“ klagte ich hinunter in die Tiefe. „Wieso nicht ich? Wieso nicht ich?“
Der unerträgliche Gedanke, dass Rob sein Leben für mich gegeben hatte, bohrte sich schmerzhaft wie Giftpfeile in mein Inneres. Am ganzen Körper zitternd kniete ich schluchzend am Abgrund.
Was hielt mich jetzt noch?
Was hinderte mich daran, Rob hinterher zu springen?
Wieder und wieder seinen Namen rufend und unbarmherzig genau wissend, keine Antwort mehr zu bekommen, drohte mein Verstand verlorenzugehen. Weiter und weiter beugte ich mich nach vorne in das dunkle Nichts hinein. In Trauer und Verzweiflung geborene Schreie lähmten jeden Selbsterhaltungstrieb, legten sich wie eine undurchdringlich zähe Schicht über den letzten Willen, hier lebend herauszukommen. Es war nur noch eine Frage von Sekunden, bis ich den Halt verlor und in die Tiefe stürzte.
In die Tiefe zu Rob!
Ja, ich wollte zu ihm. Ich wollte bei ihm sein bis ans Ende der Zeit.
Mit leisem Grollen kündigte es sich an, einem stetig stärker werdenden Grummeln aus dem unergründlichen Abgrund, vor dem ich kniete. Dann bebte die Erde erneut, jedoch nur kurz. Die Erschütterung brachte mich zurück in die Realität und ich schreckte aus meinem Wahn hoch.
Rob war tot, unwiederbringlich verloren. Eine Tatsache, die ich einzusehen hatte, auch wenn ich wusste, es niemals akzeptieren zu können.
Schweren Herzens wandte ich mich ab, als mein Blick auf zwei Gestalten fiel, die nur wenige Schritte entfernt am Boden kauerten. Alarmiert erstarrte ich in der Bewegung.
Was denn nun noch? Wer stellte sich mir jetzt noch entgegen? Skiavos konnten es kaum sein, dafür waren sie zu klein. Erst jetzt fiel mir auf, dass die beiden gedrungenen Figuren gar nicht auf dem Boden krauchten sondern aufrecht standen. Wie klein sie waren!
Es waren Ey-urt-tuay und Ey-or-oys!
Die beiden Uhleb, die so unvermittelt vor mir auftauchten, schienen selbst nicht unbedingt auf diese Begegnung vorbereitet gewesen zu sein. Wir sahen uns bewegungslos an. Wieso wunderte ich mich nicht über diese unerwartete Zusammenkunft? Kein Zweifel, die beiden hatten ihre Finger tief in diesem Spiel, nur war mir noch immer nicht bewusst, wie tief. Sie hier anzutreffen stellte nur einen weiteren kleinen Mosaikstein in einem Gesamtbild dar, das mich nicht mehr sonderlich interessierte.
Ey-urt-tuay betrachtete Cantrells kopflose Leiche und wandte sich wieder mir zu. Lag da nicht der Anflug bösartigen Grinsens auf seinem unergründlich altertümlichen Antlitz?
„Ich freue mich, dich wieder zu sehen, Jack Schilt, o ja.“ Mir gefielen weder der weit geöffnete Schlund noch die abgekauten Zähne, die mir der Uhleb so bereitwillig präsentierte. „Du bist nachhaltiger, als wir dich einschätzten, o ja. Gute Arbeit, Jack Schilt.“ Er deutete auf Cantrells Kadaver. „Gute Arbeit!“
Ich nahm es ihm in der Tat ab. Ey-or-oys begann wie eine aufgeschreckte Ente zu schnattern, was in dieser Umgebung so unpassend wie nur irgend möglich klang. Ich hätte eher ihr Bedauern über das Ableben Cantrells erwartet. Doch allem Anschein nach war dem
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