Sephira - Ritter der Zeit 1: Die Bruderschaft der Schatten (German Edition)
doch ich war sicher, dass er inzwischen aus der Hütte geflohen war. Zahlreiche Halbsterbliche hatte er noch, die Derwische standen ebenfalls auf seiner Seite, und er hatte die Fähigkeit, eine ungeheure Macht auf Menschen auszuüben.
Vielleicht, so vermutete Jared, würde er irgendwann eine neue Tochter der Lamia aufstöbern. Ashala hatte nie behauptet, die einzige zu sein, es war möglich, dass irgendwo da draußen noch ein Tausende Jahre altes Geschöpf durch die Lande wanderte.
Oder er würde so lange nicht ruhen, bis ich in seiner Gewalt war. Doch in diesem Augenblick dachte ich noch nicht daran.
Wir beobachteten den weißen Reiter, der in der Mitteder Frontlinie sein Pferd zügelte und auf eine Reaktion der Muslime wartete.
»Und du bist sicher, dass Saladin sich an seine Zusage halten wird?«, fragte Gabriel, während er den Blick nicht von Balian ließ. Wenn die beiden Waffengefährten waren, mussten sie ungefähr gleich alt sein – nur dass Gabriel seit mehr als elf Jahren nicht mehr gealtert war. Im Haar Balians, das konnten meine erstarkten Augen sehen, zeigte sich bereits viel Silber.
»Der Sultan hat mir sein Wort gegeben und ich weiß, dass er sein Versprechen nicht brechen wird. Jetzt, wo sich alles erfüllt, wie es soll, kann ich euch sagen, was ich damals im Heereslager sah, als ich Saladin töten hätte sollen. Ich sah den Sultan im Palast des Königs auf und ab schreiten, vor ihm ein Zug Franken, der unversehrt die Stadt verlässt. Du weißt, welches die Ziele Malkuths gewesen wären.«
»O ja, das weiß ich nur zu gut.«
Gabriel blickte zu mir herüber. Ich lächelte ihm zu. Diese Ziele hatten wir vereitelt. Doch uns war klar, dass dies noch nicht das Ende war. Wir hatten uns ein großes Ziel gesteckt – die Götter allein wussten, ob wir es verwirklichen konnten. Und wir mussten damit rechnen, dass Malkuth uns unsere Kühnheit heimzahlen würde.
Während Balian mit dem Sultan verhandelte, kehrten wir in unser Lager zurück, das wir im Morgengrauen bei meiner Ankunft provisorisch errichtet hatten. Nicht nur Sayd hatte viel zu erzählen gehabt, sondern auch ich. Eine Sache gab es jedoch, die ich mit ihm allein besprechen wollte.
So trat ich dann an sein Zelt, wo mich Sayd mit einem erstaunten Lächeln empfing. »Was führt dich zu mir, Sayyida?«, fragte er lächelnd, während er mich von Kopf bis Fuß musterte. »Die Unsterblichkeit scheint dir zu bekommen.«
»Nenn mich nicht ›Herrin‹«, gab ich zurück. »Du weißt, ich mag das nicht.«
»Deine Verwandlung hat also doch noch den Menschen in dir gelassen, der du früher warst.«
»In dir etwa nicht?«
Sayd zog die Augenbrauen hoch. »Vielleicht … Doch sprich, was hast du auf dem Herzen?«
»Ich soll dir einen Gruß ausrichten«, antwortete ich. Es war möglich, dass er mich für verrückt hielt, aber ich wollte ihm die letzte Botschaft Ashalas nicht vorenthalten.
»Einen Gruß von wem? Malkuth vielleicht?«
»Von Ashala«, entgegnete ich, was ihn sogleich beim Zusammenschlagen seiner Decke innehalten ließ.
»Von Ashala?« Etwas auf seinem Gesicht veränderte sich plötzlich. Es war, als würde ein Schatten darüberziehen.
»Als ich verwandelt wurde, hatte ich eine Vision«, erklärte ich ihm. »Ashala hatte mir ein paar ihrer Gedanken überlassen; diese waren eingeschlossen in die Blutstropfen im Elixier. Ich glaube ihren Tod gesehen zu haben. Ich habe dich gesehen.«
Sayds Miene versteinerte. Wahrscheinlich durchlebte er in Gedanken jenen Moment.
Ich sah plötzlich eine ganz andere Seite an ihm. »Sie trug mir jedenfalls auf, dir einen Gruß zu bestellen. Diesen entrichte ich dir hiermit.«
»Danke.«
Sayd nickte mir zu und für eine kurze Zeit blickten wir uns direkt in die Augen.
Dann wandte ich mich um und kehrte zu Gabriel zurück.
Zwei Wochen später, als die Übergabe der Stadt geregelt war und bekannt wurde, dass Saladin der christlichen Bevölkerung gegen ein geringes Lösegeld von fünf bis zehn Dinarfreies Geleit zusicherte, zogen wir uns nach Ägypten zurück, ins Haus von Gabriel. Auch dieses kannte Malkuth, aber es war anzunehmen, dass er sich nicht hierherwagen würde. Nicht, bis er wieder bei Kräften war.
Wie damals, als ich in die Versammlung geplatzt war, saßen wir in der Runde, weiß gekleidet, mit Tüchern auf unseren Köpfen – nur dass ich jetzt kein Mädchen mehr war, das nichts von den Geheimnissen dieser Welt wusste. Der Duft des Weihrauchs erfüllte den Raum und in der Mitte lagen
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