Sephira - Ritter der Zeit 1: Die Bruderschaft der Schatten (German Edition)
half,konnte ich schließlich einige »Schritte« ganz allein bewerkstelligen. Von da an übte ich es sogar freiwillig während der kurzen Kampfpausen.
So auch jetzt. Die Welt auf dem Kopf stehen zu sehen, hatte etwas Vertrautes, denn schließlich war mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt worden. Wie viele Monde war ich nun bei Gabriel? Zwei? Oder doch schon drei?
Ich wusste es nicht, denn an den Abenden hatte ich keine Zeit, um das Wachsen und Vergehen des Mondes zu beobachten. Gabriel brachte mir alles bei, was ich über die Wüste wissen musste – und über die politischen Verhältnisse im Outremer , wie die Franken das eroberte Gebiet um Jerusalem nannten. Er beschrieb mir Pflanzen und Tiere und Besonderheiten des Wetters. Und er unterrichtete mich auch weiter über die verschiedenen Glaubensrichtungen, die sich in der Bruderschaft vereinten.
Je mehr ich erfuhr, desto mehr wunderte ich mich, warum sich Christen und Muslime bekämpften – soweit ich mitbekommen hatte, war die Religion unter den Assassinen kein Grund zum Streit.
»Und warum bekämpft ihr euch nicht untereinander in der Bruderschaft?«, fragte ich Gabriel einmal.
»Weil uns etwas eint – die Unsterblichkeit. Unsere Umwandlung wurde uns von einer Gottheit ermöglicht, die mittlerweile von allen vergessen wurde. Auch wenn wir zuweilen diskutieren und über Glaubensfragen streiten, fließt in uns dasselbe Elixier des ewigen Lebens. Das ist ein sehr starkes Band, glaube mir.«
Ein scharfer Schmerz, der plötzlich meine Handfläche durchzog, beendete mein Nachdenken und nahm meinem Arm die Kraft. Mit einem kurzen Aufschrei stürzte ich zu Boden.
»Laurina!«, rief Gabriel und kam zu mir gelaufen.
Als ich mich aufrappelte, sah ich, wie Blut aus einer tiefen Schnittwunde an meiner Hand schoss und über meine Finger tropfte. Eine Muschel, die ich im Sand nicht gesehen hatte, hatte sich in meine Handfläche gebohrt.
»Verdammte Muschel«, schimpfte ich, während ich die Hand auf den Schnitt presste.
»Zeig mal her!«
Gabriel nahm meine Handfläche, rieb den Sand herunter und leckte dann über die blutige Wunde. Dabei glommen seine Augen türkisfarben auf. Erschrocken wollte ich die Hand zurückziehen, doch er hielt sie mit der gleichen Stärke fest wie damals Jared bei meiner Prüfung.
»Warte einen Augenblick«, sagte er. »Die Wunde wird sich gleich schließen.«
Mit leichtem Schauder beobachtete ich, wie sich mein Blut mit seinem Speichel vermischte und dann – wie in der Nacht, als ich Malkuth vorgestellt worden war – in die Wunde zurückfloss und sie verschloss.
»Dann gelten die Heilkräfte nicht nur für euer Blut?«
Gabriel schüttelte den Kopf. »Nein, auch unser Speichel kann Wunden wieder schließen. Allerdings nur kleine. Diese hier geht gerade noch.«
Ich betrachtete staunend meine Haut, auf der nur einige blutige Schlieren von Gabriels Zunge übrig geblieben waren.
»Was ist, willst du weiterüben?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, meinetwegen können wir zurück. Es sei denn, du willst mir noch irgendetwas zeigen.«
Gabriel schüttelte den Kopf und half mir dann auf.
Als wir das Haus erreichten, fand ich einen Skorpion vor der Haustür. Seelenruhig saß er auf einem verschatteten Stein. Diesmal streckte ich die Hand nicht nach dem Tier aus, sondern rief nach meinem Lehrmeister.
»Jared hat uns eine Nachricht geschickt!« Mittlerweile war ich mir sicher, dass er die Skorpione persönlich aussetzte und sie irgendwie dazu brachte, an der Stelle zu bleiben. Vielleicht würde er es mir irgendwann verraten, wie er das anstellte.
Ich fragte mich, ob er Gabriel damit mitteilen wollte, dass ich mich nicht mehr bei ihm blicken zu lassen brauchte. Doch dann fiel mir wieder ein, dass nur wichtige Botschaften mit Skorpionen geschickt wurden.
Gabriel besah sich das Tier, zog sein Messer und bog mit der Klinge blitzschnell den Skorpionsschwanz nach hinten. Dann griff er mit der freien Hand nach der Schriftrolle und riss sie mit einem raschen Ruck vom Panzer ab.
Er lächelte, als er bemerkte, dass ich ihn beeindruckt ansah. »Hat dir Jared schon gezeigt, wie er die Schriftrollen befestigt?«, fragte er, während er dem Tier wieder die Freiheit schenkte. An der Klinge konnte ich eine Giftspur erkennen, die Gabriel sorgfältig an seinem Hemdsärmel abwischte.
»Er hat mir erzählt, dass er eine Vorrichtung dafür hat.«
»Das ist richtig. Aber eigentlich würde es auch so gehen, wie ich es gerade gemacht habe.«
Nachdem
Weitere Kostenlose Bücher