Sephira - Ritter der Zeit 1: Die Bruderschaft der Schatten (German Edition)
ich von einem Heer Ameisen befallen.
»Bleib sitzen«, rief Gabriel mir zu und hockte sich vor mich. Ehe ich etwas einwenden konnte, begann er sanft meine Waden zu massieren. »Keine Angst, dir sind nur die Beine eingeschlafen, weil das Blut nicht richtig fließen konnte.«
Seine Berührung trieb mir das Blut in die Wangen undließ mein Herz höherschlagen. Das seltsame Gefühl, das ich in seiner Gegenwart beinahe ständig hatte, wurde stärker.
Um mir nicht anmerken zu lassen, dass ich verwirrt war, fragte ich schnell: »Was, wenn Sayd sieht, was wir hier tun? Er wird wissen, was wir vorhaben.«
Ein Lächeln huschte über Gabriels Gesicht, während er den Blick nicht von meinen Beinen ließ. »Sayd beobachtet uns im Moment nicht.«
»Und woher willst du das so genau wissen?«
»Er ist von Malkuth auf die nächste Mission geschickt worden und wird mindestens zwei oder drei Wochen fortbleiben.«
»Soll er wieder jemanden töten?«
»Gewiss, doch außer denen, die bei ihm sind, weiß nur der Emir, wer das Ziel ist.«
»Und wie viele Männer sind mit ihm gegangen?«
»Vier, soweit ich weiß.«
»Dann soll er vielleicht nicht einen, sondern mehrere Männer töten.«
Der Gedanke, dass es vielleicht Unschuldige waren, deren einziges Verbrechen es war, loyal zum Sultan zu stehen, bedrückte mich.
»Oder jemanden, an den schwer heranzukommen ist«, erwiderte Gabriel, wechselte dann aber sogleich das Thema. »Meinst du, du kannst jetzt wieder aufstehen?«
Ich wackelte mit den Zehen und nickte in der Hoffnung, dass wir es für heute gut sein lassen könnten. Aber da hatte ich mich getäuscht. Kaum stand ich wieder sicher auf den Füßen, machte sich Gabriel bereit, um mir zu helfen. »Also dann, noch mal.«
»Ist es nicht schädlich, wenn mir ständig das Blut in den Kopf läuft?«, murrte ich, doch Gabriel lachte nur, und mir blieb nichts anderes übrig, als mich wieder auf die Hände zu stellen.
21
M alkuth verzog missmutig das Gesicht, während er dem Bericht Sayds lauschte. Die anderen Assassinen waren nicht dabei; es war das alleinige Recht des Anführers, Rechenschaft über den Auftrag abzulegen.
»Du berichtest mir also allen Ernstes, dass du meinen Befehl nicht ausgeführt hast?«
»Gebieter, es ging nicht anders«, entgegnete Sayd, der vor seinem Herrn das Knie beugte, eine Geste, die er stets verabscheut hatte. Immerhin war er selbst einst ein Scheich gewesen! Aber jetzt konnte die unterwürfige Haltung Malkuth vielleicht etwas gnädiger stimmen. »Saladin war zu gut bewacht. Und sein Sohn nicht bei ihm. Ihr wisst, was das bedeutet.«
»Glaubst du, ich habe Angst vor einem Jüngling, der die Sultanswürde übernimmt? Wie viel Angst hatte der Unverschämte denn vor dem Sohn Nureddins?«
»Das war eine ganz andere Situation«, gab Sayd ruhig zurück. Der Emir durfte auf keinen Fall merken, wie viel Sorge ihm der Bericht bereitete. Er musste äußerst vorsichtig vorgehen, damit Malkuth nicht das Vertrauen zu ihm verlor – auch wenn er es durch den unerfüllten Auftrag bereits enttäuscht hatte. »Gebieter, Ihr wisst, ich habe mich in meiner Einschätzung noch nie getäuscht.«
»Das hast du wirklich nicht«, musste Malkuth zähneknirschend zugeben.
»Dann vertraut mir auch dieses Mal. Ich würde vorschlagen, dass …«
»Du machst mir einen Vorschlag?«, fuhr der Emir ihn an, dann sprang er von seinem Stuhl auf. Sayd verharrte weiterhin mit gesenktem Kopf, wo er war. Seine Sinnejedoch folgten Malkuth durch den Raum. Sie nahmen seinen schnellen Atem wahr, das Knirschen des durch die Fenster hereingewehten Sandes und das Knacken seiner Finger, als er sie zur Faust ballte. Warum lasse ich mich eigentlich weiter zum Sklaven machen , ging es Sayd durch den Sinn. Ich bin der Erstgeborene , nicht er. Doch diesen rebellischen Gedanken schob er rasch beiseite und antwortete: »Ja, Gebieter, einen Vorschlag, der nur von Vorteil für Euch sein wird.«
»Dann sprich.« Malkuth schritt weiter auf und ab.
»Ich würde vorschlagen, dass Ihr Euren Hof in die Nähe von Hattin verlegt. In die geschleifte Felsenfestung.«
»Du meinst, ich soll mich in den Keller verkriechen wie eine Ratte?«
»Nicht verkriechen«, erwiderte Sayd. »Nur eine strategisch bessere Position einnehmen. Saladin zieht gen Jerusalem. Von Hattin aus hätten wir einen wesentlich besseren Blick auf seine Aktivitäten. Und könnten ihn auch wesentlich leichter ausschalten. Wenn er erst einmal in Kampfhandlungen verwickelt ist, wird er
Weitere Kostenlose Bücher