Sephira - Ritter der Zeit 1: Die Bruderschaft der Schatten (German Edition)
Gabriel die Nachricht entrollt hatte, runzelte er die Stirn. »Du solltest deine Sachen zusammenpacken«, sagte er dann. »Wir machen eine Reise.«
»Wohin?«
»Durch die Wüste bis in die Nähe von Jerusalem. Unsere Bruderschaft hat dort einen geheimen Stützpunkt.« Er überlegte einen Moment, dann fügte er hinzu: »Du wirst deine Ausbildung in der Bergfeste fortsetzen, wie es alle anderen auch getan haben.«
»Unter den Augen von Sayd?« Dieser Gedanke erschreckte mich ein wenig. Auch wenn wir hier von ihm beobachtet wurden, blicken ließ er sich doch nie. Ihn unter ein und demselben Dach zu wissen, verunsicherte mich.
»Er wird dir nichts anhaben. Und meist hat er auch anderes zu tun, als dich ständig im Auge zu behalten. Aber jetzt beeil dich, wir haben nicht viel Zeit. In einer Stunde werden wir nach Alexandria aufbrechen. Von dort aus geht es mit der Karawane weiter.«
Während ich nur wenig Gepäck hatte, das ich mitnehmen konnte, bepackte Gabriel seinen Hengst, als wollte er umziehen.
»Warum nimmst du so viel mit?«, wunderte ich mich und fragte mich gleichzeitig, was er da alles eingepackt hatte.
»Das ist Proviant für die Reise, für uns beide. Und noch ein paar andere Dinge, die wir in der Bergfeste gebrauchen können. Wir werden eine Weile dortbleiben, vielleicht sogar so lange, bis du deine Prüfung absolviert hast.«
Das war gewiss noch eine lange Zeit. Ich hatte so einige Fragen zu unserem neuen Aufenthaltsort, doch Gabriel drängte zur Eile. »Bevor du losreitest, reib dir ein wenig Schmutz ins Gesicht. Deine helle Haut ist sonst zu auffällig und Räuber könnten dich für eine gute Beute halten.«
»Das sollen sie mal versuchen«, entgegnete ich und deutete auf mein Schwert, das ich an den Sattel gebunden hatte.
»Sei dir deiner Kampfkünste nicht zu sicher! Gegen eine Horde von Räubern hast auch du keine Chance.« Und was ist mit dir? , hätte ich beinahe gefragt, doch ich verkniff es mir.
»Außerdem möchtest du dich doch nicht im Harem eines Scheichs wiederfinden, oder?«
»Was ist ein Harem?«, fragte ich, denn dieses Wort hatte ich bisher noch nie gehört. Für einen Kerker klang es irgendwie zu harmlos.
»Das ist der Ort, an dem die Ehefrauen eines Wüstenfürsten leben.«
»Ehefrauen? Haben sie mehr als eine?«
»Ja, ihr Glaube erlaubt ihnen, so viele Frauen zu haben, wie sie ernähren können. Je reicher ein Fürst, desto mehr Ehefrauen hat er.«
»Das stelle ich mir beschwerlich vor«, gab ich zurück. »Mein Vater meinte, ein Mann hätte schon mit einer Ehefrau genug Ärger. Aber das sagte er nur so, denn meine Mutter war eine gute Frau.«
»Nun, hier sammeln einige Fürsten schöne Frauen wie Edelsteine. Je größer ein Harem, desto mehr Bewunderung bekommt er.«
»Und hat er mit allen Frauen Kinder?« Ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss. Auf einmal war mir diese Frage ein wenig peinlich, aber jetzt war es zu spät.
»Natürlich!«
»Und wie schafft er das?« Peinlich oder nicht, meine Neugierde war geweckt.
»Das sind Dinge, die du eigentlich noch gar nicht wissen solltest!«, fiel mir Gabriel entsetzt ins Wort. Dann lachte er auf.
Ich verstand nicht, was er meinte. »Ich werde in einigen Monden achtzehn sein!«, protestierte ich. »Die meisten Frauen sind in diesem Alter bereits verheiratet und haben Kinder!«
»Verzeih mir«, gab Gabriel zurück. »In unserem Land machen sich die Mädchen darüber keine Gedanken, solange sie nicht verheiratet sind.«
Das wollte ich ihm nicht glauben. Die Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen, zwischen Mann und Frau sah man doch schon, wenn man zum Baden in einen See sprang! »Auf jeden Fall bleibe ich dabei, dass es für den Scheich anstrengend sein muss, all seinen Frauen beizuliegen.«
Gabriel gab sich geschlagen. »Er tut es ja nichtgleichzeitig. Ein paar Pausen lässt er sich schon. Und jetzt reib dein Gesicht ein und binde dein Tuch um den Kopf. Wir haben nicht mehr viel Zeit.«
Den Weg nach Alexandria brachten wir so schnell hinter uns wie nie zuvor. In der Stadt preschten wir durch die Straßen, als wäre ein Heer schwer bewaffneter Krieger hinter uns her. Einige Leute, die wir in unsere Staubwolken einhüllten, schimpften uns nach, doch wir kümmerten uns nicht darum.
Schließlich erreichten wir den Treffpunkt, an dem schon andere Mitglieder der Bruderschaft warteten. Hinter ihnen lagerten Kamele. Während einige dieser Tiere unbeteiligt im Sand saßen, brüllten andere auf, als sie uns sahen.
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