Sepp und das Millionending
es dann vielleicht etwas zu laut zugegangen, stimmt’s?“
„Ja, Herr Kommissar.“
„Verstehe!“
Der Kriminalbeamte wandte sich nun an den Schuldirektor und vor allem an die beiden Herren vom Museum. „Nun, der Fall scheint mir jetzt ziemlich klar zu sein. Angenommen, dieser Mann im dunkelgrauen Regenmantel sei der Dieb — was bei den wenigen Besuchern um diese Zeit durchaus wahrscheinlich ist —, dann ist er durch die Rückkehr dieses Jungen dort gestört worden, als er gerade den Diebstahl ausführen wollte. Deshalb wirkte er auch so verstört beim Anblick des unverhofften Störenfrieds. Kaum aber hatte der Junge den Saal VIII wieder verlassen, da nutzte der Dieb die Gelegenheit aus. Er nahm das Bild von der Wand, um das Original mit der Fälschung zu vertauschen, die er während der ganzen Zeit unter seinem Mantel verborgen hatte. Als er noch damit beschäftigt war, wurde er erneut gestört. Er hörte, wie mehrere Jungen laut redend zurückkamen. Die Zeit reichte nicht mehr aus, die Fälschung in den Rahmen zu schieben. Deshalb mußte der Dieb mitsamt dem Original in den Nebensaal flüchten. Dort wartete er, bis die Luft rein war. Dann schlich er mit der inzwischen eingerahmten Fälschung in den Saal VIII zurück und hängte sie an dieselbe Stelle, wo bisher das Original gehangen hatte. Als dann kurz darauf der Museumswärter mit den vier Jungen wieder in den Saal VIII trat, schien alles in bester Ordnung zu sein.“
„Das klingt alles gut und schön“, meinte der Museumsdirektor Dr. Bienert, nachdem der Kommissar geendet hatte. „Aber manches bleibt doch reichlich unwahrscheinlich.“
„Zum Beispiel?“
„Wie konnte es dem Dieb gelingen, unter den Augen von einem Dutzend Museumswärtern diesen wertvollen Stich zu entwenden?“
„Diese Frage wird immer gestellt, wenn etwas gestohlen worden ist, Herr Dr. Bienert. Aber wie Sie wissen, ist dies ja leider nicht der einzige Diebstahl aus einem Museum — und es wird bestimmt auch nicht der letzte sein. Vermutlich hat der Dieb tagelang die Gewohnheiten der Wärter studiert und die Erfahrung gesammelt, daß um die Mittagszeit die Aufmerksamkeit etwas erlahmt. Geholfen hat ihm dabei sicherlich die schwüle Gewitterstimmung gestern mittag, die auf uns alle einschläfernd gewirkt hat. Um einen Anfänger in diesem Gewerbe handelt es sich auf keinen Fall. Ich tippe vielmehr auf einen gewieften Burschen, der sein Gesellenstück schon längst geliefert hat.“
„Und wie hat er das Werk hinausgeschmuggelt?“ wollte Dr. Bienert gern vom Kommissar wissen.
„Unter seinem Regenmantel. Ohne Rahmen fällt das kaum auf, wenn man es richtig verbirgt.“
„Aber warum hat er sich nicht damit begnügt, einfach das Original zu stehlen?“ fragte der Schuldirektor. „Warum hat er sich noch die zusätzliche Mühe gemacht, eine Fälschung anzufertigen oder anfertigen zu lassen und aufzuhängen?“
„Genaues kann ich Ihnen hierauf auch nicht sagen“, erklärte Kommissar Beiz. „Aber ich vermute: der Täter wollte damit den Diebstahl möglichst lange geheimhalten, was ihm ja auch gelungen wäre — ohne die vier tüchtigen jungen Detektive“, fügte er schmunzelnd hinzu.
Diese Auslegung klang einleuchtend. Ungeklärt dagegen blieb immer noch die entscheidende Frage, die Dr. Bienert jetzt offen aussprach: „Hm, aber wer ist der Täter?“
„Das herauszufinden, ist unsere Aufgabe“, antwortete der Kriminalbeamte. „Wir müssen feststellen, wer von Donnerstagmorgen bis Donnerstagmittag das Museum besucht hat. Dazu brauchen wir die Aussagen Ihrer Mitarbeiter. Aber die heißeste Spur scheint mir zunächst die zu sein, auf die uns die vier Jungen geführt haben. Möglich, daß ich mich irre. Aber wir dürfen nichts unversucht lassen. Wenn ich vorhin sagte, daß kein Anfänger einen so ausgeklügelten Diebstahl durchführen konnte, dann müssen wir unser Augenmerk besonders auf solche Verbrecher richten, die uns einschlägig bekannt sind. Dieser eine Junge da“ — der Kommissar deutete dabei auf den dicken Willem — „hat einen verdächtigen Mann beobachtet und uns einige Anhaltspunkte gegeben. Ich lasse mir vom Bundeskriminalamt in Wiesbaden Fotos und Beschreibungen von Bilderdieben schicken, die uns bereits bekannt sind.“
Der dicke Willem bekam dreimal so lange Ohren wie ein Esel, als er das hörte, und lebhaft erkundigte er sich: „Soll das heißen, Herr Kommissar, daß ich mir diese Fotos ansehen soll?“
„Ja, Junge. Vielleicht findest du unter den
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