Sepp und das Millionending
Blick ins Zelt geworfen hatte und erregt ausrief: „Jemand hat bei uns eingebrochen!“
„Du kriegst die Motten!“ platzte Willem heraus.
„Die beiden Brote sind weg, die Butter, die Blutwurst, die Milch — überhaupt alle Lebensmittel“, rief Sepp. „Sogar das angebrochene Paket Rosinen!“
„Und das Kaninchen auch!“ fügte Willem hinzu.
Sepp und Willem waren ins Zelt hineingestürzt und durchwühlten fieberhaft die Rumpelkammer, wie sie die hintere Ecke am Kopfende des Zeltes nannten. Hier lagen die Rucksäcke, die Kleidungsstücke, der Fußball, ein Kessel, eine Pfanne — und bis vor kurzem auch die Lebensmittel beisammen: selten ordentlich verstaut, meistens wie Kraut und Rüben durcheinander.
Männe, Flöhchen und der Dorfpolizist hatten ihre Köpfe neugierig ins Zelt gesteckt. Kein Zweifel: die Lebensmittel und das Karnickel waren weg!
„Wenn ihr sagt, ihr hättet Brot, Wurst und so weiter darin gehabt, und jetzt ist nichts mehr davon da, dann muß tatsächlich jemand das Zelt geöffnet und die Lebensmittel gestohlen haben“, folgerte Herr Brackebusch.
„Aber wer?“ fragte Männe.
Der Dorfpolizist zuckte die Achseln. „Tja, seine Besuchskarte hat er bestimmt nicht hinterlassen.“
„Aber Fingerabdrücke!“ rief Willem. „Das ist so klar wie Kloßbrühe!“
„Sicher, mein Junge, doch das ist eine Sache für den Erkennungsdienst, und der rührt noch nicht mal den kleinen Finger, wenn’s bloß um so ein paar Kleinigkeiten geht wie eine Blutwurst, zwei Brote, ein Paket Rosinen...“
„Und ein Kaninchen!“ fiel der dicke Willem lebhaft ein. „Vergessen Sie das nicht, Herr Wachtmeister. Das Kaninchen ist ein Beweisstück dafür, daß es hier Wilderer gibt.“
„Soweit sind wir noch nicht — ich meine, mit Wilderern und so. Bis jetzt sieht das Ganze so aus, als habe jemand Hunger gehabt.“
„Nur ganz gewöhnlichen Kohldampf, meinen Sie?“ Willems Stimme klang enttäuscht, als er das Herrn Brackebusch vorhielt.
„Überlegt doch mal selbst“, fuhr der Dorfpolizist in seiner bedächtigen Art fort. „Alles, was der Betreffende mitgenommen hat, sind nur ein paar Lebensmittel — falls ihr nicht noch etwas anderes vermißt.“ Sepp warf noch einmal einen flüchtigen Blick durch den offenen Zelteingang und stellte dann fest: „Nein, sonst fehlt nichts.“
„Na also! Schätze hat der Dieb bei euch sowieso nicht vermutet. Aber daß in einem Zelt immer ein paar Lebensmittel liegen, das kann sich jeder an den zehn Fingern abzählen. Wenn ihr mich nach dem Täter fragt, dann würde ich sagen: wahrscheinlich so ein Herumtreiber, ein Tippelbruder oder Gammler, der keinen roten Pfennig mehr in der Tasche hat und dem der Magen bis auf die Füße hängt.“
„Das wäre schon möglich“, gab Flöhchen zu. „Von einer Stelle der Straße aus kann man unser Zelt sehen.“
„Ja, und vielleicht ist der Kerl dort vorbeigezogen, und als er euer Zelt erblickte, da hat er sich gesagt: Halt, da zeltet ja jemand! Vielleicht sind’s ein paar Jungs, von denen du ‘nen Happen kriegen kannst...“
„Wollen Sie damit sagen, daß er vielleicht erst gar nicht die Absicht hatte, zu stehlen?“ fragte Flöhchen Herrn Brackebusch.
„Warum nicht? Als er dann hierherkam und niemanden von euch antraf, da hat er dann der Versuchung nicht widerstehen können.“
„Hm“, brummte Männe, „so könnt’s gewesen sein.“
„Ja, denkbar wär’ das schon“, räumte auch Sepp ein.
Doch der dicke Willem gab sich mit dieser Auslegung nicht zufrieden und meinte: „Es ist aber auch möglich, daß der Kerl schon heute nacht dicht in unserer Nähe gepennt hat, irgendwo im Gras oder Gebüsch, und daß er nur auf eine günstige Gelegenheit gelauert hat.“
„Hm, ausgeschlossen ist das nicht“, überlegte der Polizist.
„Aber was sollen wir jetzt unternehmen, Herr Wachtmeister?“ fragte Sepp.
„Die Augen aufhalten und...“
„Ja“, fiel Willem ihm lebhaft ins Wort. „Vielleicht treibt sich der Kerl noch irgendwo hier herum.“
„Das glaube ich zwar kaum, aber trotzdem: Haltet die Augen offen! Vielleicht fällt euch irgend etwas Verdächtiges auf. Wer weiß. Aber vor allem: Laßt euer Zelt nicht mehr so unbeaufsichtigt dastehen! Wenigstens einer von euch sollte sich in der Nähe auf halten.“
„Gut“, versprach Sepp dem Dorfpolizisten.
„So, und jetzt zeigt mir mal einer von euch genau die Stelle, wo ihr die Drahtschlinge gefunden habt.“
„Willem hat sie entdeckt“, rief
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