Sepp und das Millionending
dahin gutmütiges, ja sogar belustigtes Gesicht nahm jetzt ernste Züge an, als er brummte: „Hm, die Sache gefällt mir nicht. Ganz und gar nicht! Wo eine Schlinge ausgelegt wird, da liegen auch noch mehr.“
Sepp nickte zustimmend.
„Das haben wir uns auch gesagt und danach gesucht.“
„Und habt ihr noch mehr gefunden?“
„Leider nein.“
„Vielleicht haben wir den Wilderer gerade gestört, als er seine Beute einsammelte“, wandte der dicke Willem ein.
Überlegend und abwägend wackelte Herr Brackebusch mit dem Kopf hin und her und brummte dann: „Schon möglich — ja. Allerdings hat’s Wilderer schon seit vielen Jahren nicht mehr hier in der Gegend gegeben...“
„Übrigens, das mit dem Kaninchen ist nicht die einzige Sache. Wir haben da auch noch einen Angler beobachtet, der...“
„Der gar kein Angler ist!“ unterbrach der dicke Willem seinen Freund Sepp.
Aus diesem Gerede schien der Dorfpolizist nicht ganz klug geworden zu sein, denn er fragte verwirrt: „Was heißt das: ein Angler, der gar kein Angler ist?“
„Kennen Sie die Flußbiegung oberhalb unseres Zeltplatzes?“ fragte ihn Sepp.
„Wo die breite Kiesbank ist?“
„Ja, dort an den Pappeln hatte der Mann Angelschnüre ausgelegt. Und als er uns kommen sah, ist er Hals über Kopf geflohen. Mit den Forellen, die er gefangen hatte.“
„Wieso wißt ihr, daß er Forellen gefangen hatte?“
„Eine davon hat er aus einem Beutel verloren, als er davonlief.“
„Habt ihr den Mann genau gesehen? Ich meine, könnt ihr ihn beschreiben?“
„Das leider nicht“, gestand Sepp kleinlaut. „Es ging alles zu schnell.“
„Möglicherweise hat das eine mit dem anderen zu tun. Nun, ich werde heute noch mit dem Förster darüber sprechen. Aber zunächst gehe ich einmal mit euch, um mir selbst die beiden Tatorte anzusehen. Übrigens, wo habt ihr das Kaninchen?“
„Ins Zelt gelegt.“
„Wir dachten nämlich“, erläuterte Willem dem Dorfpolizisten ausführlicher, „eher essen wir es, bevor wir es dem Wilderer überlassen.“
„Da habt ihr dem armen Kaninchen einen großen Gefallen getan.“ Der Polizist lachte. „Und die Forelle?“
Verschmitzt blickte der dicke Willem Herrn Brackebusch an und meinte treuherzig: „Wenn wir Sie damals schon gekannt hätten, Herr Wachtmeister, dann hätten wir Sie selbstverständlich zum Festessen eingeladen. Aber Sie wissen ja selbst: in der Sommerhitze stinkt jeder Fisch schon nach einem Tag — selbst eine Forelle.“
Eine halbe Stunde dauerte der Weg vom Dorf zum Zeltplatz, aber er kam ihnen allen kürzer vor, denn Herr Brackebusch verstand es ausgezeichnet, sich mit den Jungen zu unterhalten. Selbstverständlich hatte er diesmal seinen grünen Uniformrock angezogen, denn die Besichtigung des Tatorts war eine Amtshandlung.
Noch bevor sie das Wiesengrundstück betraten, auf dem die vier Freunde ihr Zelt aufgeschlagen hatten, sahen sie das hellbraune Zelt zwischen den kniehohen Grashalmen am Ufer stehen.
„Da vorn ist es!“ sagte Flöhchen.
Herr Brackebusch nickte.
„Na, dann wollen wir uns erst mal das Karnickel ansehen, falls es sich inzwischen nicht selbständig gemacht hat.“
Bin leichter Wind war aufgekommen und raschelte und rauschte im Laub der Bäume. Er blies auch gegen das Zelt und ließ den Fuchsschwanz, den Männe am First befestigt hatte, wie einen Wimpel hin und her flattern. Plötzlich erfaßte er die eine Hälfte der Zeltplane am Eingang und warf sie wie mit einem festen Griff aufs Dach.
„Nanu, da hat doch wieder jemand den Reißverschluß nicht zugezogen!“ schimpfte Flöhchen.
„Also ich war’s nicht“, verteidigte sich Männe sogleich. „Ich bin überhaupt nicht mehr im Zelt gewesen nach dem Frühstück.“
„Und ich habe alles dichtgemacht, nachdem ich die Lebensmittel verstaut hatte“, erklärte Sepp.
Flöhchen blickte den dicken Willem an, als verdächtige er ihn, und sagte: „Willem ist als letzter drin gewesen.“
„Wieso ich?“
„Du hast doch das Kaninchen hineingelegt.“
„Stimmt! Aber ich habe den Reißverschluß danach wieder zugemacht.“
„Weißt du das genau?“
„Natürlich!“ beteuerte der dicke Willem. „Br hat erst unten wieder mal geklemmt. Das weiß ich haargenau.“
„Na, dann bleibt also nur noch das Karnickel als Täter übrig“, meinte Herr Brackebusch schmunzelnd. „Es sollte mich nicht wundern, wenn es auf und davon wäre.“
Alle lachten, aber die gute Laune war wie weggeblasen, nachdem Sepp einen kurzen
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