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September. Fata Morgana

Titel: September. Fata Morgana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lehr
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überzeugender gefälscht als der Brief in dem Nabil ihr seine Liebe aufkündigte
    dieses Grab vor dem Bett ihrer Eltern wie herabgefallen von einem irren mörderischen Planeten niemand kann so etwas erfinden wie kommst Du in dieses Haus vielleicht ist alles anders und Du musst nur als toter Körper überall dahin wandern wo Du einmal geliebt wurdest
    aber dieses Kissen aus geronnenem Blut unter Deiner Brust und der fürchterliche Geruch
    du musst
    nachhause gehen und es ihnen sagen und
    du musst
    verstehen und
    du darfst kein
    Wort sagen es ist lebensgefährlich du allein bist Schuld Muna verstehst du dass du und nicht dein Bruder Schuld bist er hier (noch nicht einmal vor seiner Leiche spricht er Nabils Namen aus) er hier sollte doch nur verwarnt werden
    was kann sie davon noch verstehen und behalten als sie das Haus verlässt den gefälschten Brief in der Hand in die Mittagshitze taumelt hat das schwarze Licht die Dinge schon so weit unsichtbar und unspürbar gemacht dass sie beim heftigen Stoß gegen eine Mauerecke keinen Schmerz empfindet alles gleitet zurück entzieht und entfernt sich weiter das Stadtviertel ist diffus und farblos alle Geräusche die es hervorbringt wie erstickt es scheint fast lautlos zu pulsieren alles gleicht einer riesigen Ultraschall-Aufnahme durch die sie sich mit undeutlichen schmerzendenGliedern bewegt den Tod ihres Geliebten in der Brust wie eine brennende Kugel das hier
    ist nur
    der grauenhafte Embryo der Gegenwart im Bauch der Zukunft sie stoßen ihre Nadeln hinein sie zerstückeln ihn weil sie das Kind hassen das womöglich nicht hundertprozentig das ihre ist in einer Art
    Flackern
    kehren die Farben und Gerüche des heißen Septembermittags wieder zurück sie ist
    auf einem kleinen Platz angelangt einige rote Doppeldeckerbusse mit weißen Dächern stehen zwischen Palmenreihen dahinter öffnet sich ein Markt mit Gemüse Blechwaren und Kleidern sie versteht erst nicht weshalb sie an diese Oberfläche gezogen werden weshalb sie hier auftauchen soll aus ihrer monochromen halb tauben Verzweiflung und das Purpur von Auberginen das Grün und Rot von Gurken und Tomaten die knallfrohen Farben eines silbrig grundierten Mickymaus-Ballons wahrnehmen muss bis sie erkennt
    dass tatsächlich ihre Schwester Jasmin dort bei den Obstkarren steht und auf sie deutet und dass daneben ihre Mutter auftaucht in einer schwarzen Abaya beide offensichtlich froh und erleichtert sie versteht zunächst gar nicht weshalb aber dann fühlt auch sie Erleichterung und Trost es liegt daran dass
    Jasmin vorausgeht dass sie ein hellgrünes Kleid und ein gleichfarbenes Kopftuch trägt und so bestimmt und gefasst wirkt wie sie es zuletzt vor zwei oder drei Jahren sein konnte kein Zweifel sie hat Farida hierher geführt sie hat alles begriffen was ihr gesagt wurde und ist wieder zu sich gekommen vor dieser
    blendend grellen Feuerwand
    die sie verschlingt verbrennt auflöst in einen Schatten verwandelt durch ein unvorstellbar gewalttätiges Licht eine Brand-Lawine ein zerberstender Komet auf der Straße nur
    hört man nichts
    das Ohr ist
    zerstört
    aber nach einer gewissen (düsteren wie
    konnte es so schnell wieder dunkel werden) Zeit hat sie so etwas wie
    eine Erinnerung an einen infernalischen Knall eine Minute zuvor von dem jetzt ein anschwellendes Pfeifen übrig ist noch
    hast du einen Mund um zu schreien du kannst
    die Augen öffnen zur
    Aussicht
    auf eine Vulkanlandschaft voll Asche Staub Rauch flach züngelndem Feuer überall
    Fetzen graue Trümmer scharfkantige aufgebogene zerrissene Objekte die an etwas erinnern sollten das Pfeifen wird lauter noch lauter schmerzhaft eine zerplatzte leuchtend rote Wassermelone vielleicht ein brennender Strohkorb in dem jemand glühende Kohlen transportieren wollte eine sich zäh und glänzend wie Quecksilber ausbreitende Lache auf die sich eigenartig langsam ein Kamm aus kleinen blauen Flammen setzt über die Anhöhe eines plumpen Schuhs hinweg in dem ein abgerissener Fuß steckt vor dir liegt ein Mensch ohne Kopf und die brennenden Gliedmaßen auf der halb zerfetzten Plastikplane gehören nicht zu ihm ein
    Autoreifen ein roter winziger toter Vogel bizarre Fantasieobjekte bedeckt von einer flaumig-grauen Aschehaut Teile von Menschen und Maschinen wie von einem sadistischen Maler arrangiert
    das Pfeifen
    du hörst jetzt dennoch auch Rufe und Schreie du denkst dass du dich irrst
    eben noch sahst du
    deinen Geliebten und du glaubst (obwohl du weißt dass es nicht stimmen kann)

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