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September. Fata Morgana

Titel: September. Fata Morgana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lehr
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sagte Seymour der
    auch damit
    meinen Widerstand gegen ihn (den zweiten Mann meiner Mutter) stark herabsetzte er mochte Iris wie ich sie mochte als ich begann sie zu begreifen eine robuste und ganz und gar nicht schöne Frau deren Tochter seit langem in Brooklyn lebte und Kriminalromane schrieb während sie selbst ihr ganzes Berufsleben lang alle drei Jahre den Arbeitgeber und die Stadt manchmal auch das Land wechselte
    einfach aus Prinzip weil mir sonst langweilig wird
    (sagte sie) eine kleine Wohnung in Queens in der sie ihre Schätze verwahrte und drei Koffer mit denen sie reiste reichten aus
    man muss nicht schön sein
    man benötigt keinen Uni-Abschluss
    man braucht keinen großartigen Beruf
    keinen Ehemann keinen Verein kein Auto keine Religion nur
    den Mut ins Leben zu steigen wie in die Brandung an einer Felsküste es ist kalt frisch und nicht ungefährlich aber
    du lernst schwimmen
    manchmal möchte ich
    so weit kommen so gelöst sein wie Iris so ohne das Bedürfnis nach einem Rahmen einer Organisation einer Wissenschaft oder nah lebenden Familie (in Kalifornien weiterstudieren?)
    in der Mitte des Wohnzimmers
    stehe ich in Jeans und hellbraunem T-Shirt in meinen schwarzen Schuhen in denen ich sowohl lange auf Straßenpflaster gehen als auch auf Parkett tanzen kann könnte es ist noch heller und sonniger geworden so dass sich Meer und Himmel aufzulösen scheinen wie auf einem überbelichteten Foto ich stand noch nie in Straßenschuhen Tanzschuhen ganz allein an dieser Stelle vor einer Woche hatte Seymour wichtige Leute aus seiner Branche eingeladen
    Ölmänner
    die mit ihren Weingläsern klirrten nachdem sie die ruinierte Garage auf der anderen Straßenseite bestaunt hatten (verbrannte Erde das übliche Nebenprodukt ihres Geschäfts hier aber nur) das
    Leichtsinnswerk meiner Mutter
    vor einem Jahr
    fuhr ich mit meinem Vater nach Boston und schämte mich plötzlich für seinen alten Ford den wir mit meinen Habseligkeiten vollgestopft hatten für die ich mich plötzlich auch schämte ich verstand mit einem Mal dass ich gar nichts oder kaum etwas besaß so wenig
    Dinge
    dass ich so leicht
    zu beseitigen war dachte ich dass ich nur mich hatte und dieses wie
    unzerstörbare
    Jungsein
    das ich in Eric wiederfinde einen Spiegel der mich umarmt in einer neu zu gründenden Welt die jähe
    Abstoßung
    der Abschied Aufbruch
    vor einem Jahr erschien mir Martin seltsam fremd als er den alten PC in mein Studentenwohnheimzimmer schleppte und Bücher- und Kleiderstapel der Herr Professor in Jeans und UMass-Sweatshirt wie ein Möbelpacker der einmal etwas Besseres gewesen war oder hatte sein wollen
    er ist absolut interessant
    flüsterte Julia mir zu (als wäre er Mrs Donally) aber sie meinte es in erotischer Hinsicht er hatte ja auch tatsächlich ein neues Liebesleben bella Luisa seit drei Jahren Schwester am Anfang waren sie so verklemmt es ist albern und peinlich wenn dein Vater glaubt du verstündest nichts er wäre so dezent so rücksichtvoll und geschickt dass er dir vormachen könnte noch nach sechs Jahren der Trennung wie ein Mönch zu leben und nur der armen Luisa ein wenig helfen würde die großen runden Ohrringe zu schleppen wir sind aber die
    Seherinnen
    die Spinnerinnen der Geschichten in der Zeit aus der Zeit heraus ich sehe nur nicht
    das Jetzt das mich unmittelbar umgibt meine
    gläserne federleichte fließende Gegenwart
    stattdessen spüre ich dieses Weggefallensein der Wände der Räume in denen ich etwas war das ich zu kennen glaubte und alles erscheint mir gleich weit entfernt (das Zimmer in Amherst die seltsame Schiffskabine auf dem Ozean der Wissenschaft in Boston die ich mir mit Julia teile das Eckzimmer im Sommerhaus der Garten der Charles River der Atlantik)
    es klingelt und als Eric den Flur betritt bin ich
    fremd und hemmungslos für zehn Minuten so dass wir durch den Flur purzeln und im Wohnzimmer auf dem Sofa uns glücklich verrenken bis zu einem Punkt an dem Eric spürt dass mir einfällt
    wo ich bin
    jetzt sehen wir aus als hätten Räuber versucht uns die Kleider vom Leib zu reißen (wobei es allerdings unverständlich ist weshalb ihnen meine Brustwarzen und Erics kleinerer bläulicher Kopf über dem Bund seiner Unterhose immer noch entgegenkommen wollen) und es scheint auch gleich als müssten wir fliehen (angetrieben von der langen Mittagspause im Fahrplan der Long Island Rail Road) so rasch ordnen wir uns und greifen nach meinem Rucksack verlassen das Haus
    Eric
    ist ein einfaches

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