September. Fata Morgana
vollkommen müheloses leichtes
Verstehen
es ist nicht nötig zu sagen was ich erst allmählich begreife nämlich dass ich wohl
die Schwebe
aufrecht – waagerecht – die Möwe auf einer unsichtbaren nervösen kippeligen Schaukel über den Dächern der Holzhäuser
halten will das
Versprechen unseres Aufbruchs das Gefühl dass alles dass das Bestmögliche zwischen uns geschehen wird morgen nein wohl frühestens in drei Tagen wenn wir mit dem Greyhound-Bus Los Angeles erreicht haben werden auf dem Weg zum Bahnhof trägt Eric meinen Rucksack ich sehe mich so klar und deutlich noch einmal im Wohnzimmer des Sommerhauses ganz genau an der Stelle an der ich vor Erics Läuten stand als wäre ich noch dort
in einer anderen Zeit aus der ich nicht mehr
fliehen kann
Leave your shadows
heißt es im Refrain des ersten Songtextes den ich für Eric geschrieben habe er ist nicht sonderlich gut geworden aber wenn Eric das Lied singt wird er so stimmig und scheinbar unabänderlich dass ich heulen könnte aber das ist nicht nötig an diesem sonnigen Nachmittag in East Hampton an dem wir Hand in Hand zur Bahnstation gehen ich bin noch immer erregt und gespannt und zufrieden zugleich
Erics dunkelblonde Haare wehen ihm in die Augen die Handbewegung mit der er sie aus dem Gesicht streicht wirkt unbeholfen wegen des Rucksacks beinahe wie die Bewegung eines Tiefseetauchers oder Astronauten
in der hellen Sommerluft durch die wir schwimmen
oder schweben und es ist auch so dass ich jetzt konkret zurück möchte auf die Couch im Wohnzimmer und das vollkommen Wirkliche möchte bis zu diesem unterirdischen Schlagen Zucken einer fremden wilden Ader in mir
woher
nimmt er nehme ich das alles wir sind doch nur Fahrrad gefahren haben uns einen Frisbee zugeworfen schwammen faulenzten am Strand lasen uns vor sangen zu seiner Gitarre er hat einen Platz für Jazz- und Sologitarre an einem Konservatorium in L.A. er will in einer Band spielen er will sich ablösen von East Hampton von seiner überherzlichen ondulierten Mutter und seinem Vater dem hohen Polizeibeamten und seinemälteren Bruder der in der Army dient und stolz darauf ist den allerneuesten High-Tech-Panzer (STRIKER) zu fahren
wir sind nicht
irgendwo
sondern in Amerika also
glauben wir an uns Eric so hat man uns aufgezogen mit der Hand auf der Brust die Flagge der Freiheit besingend wir müssen uns selbst definieren und irgendetwas in Erics lässiger und doch bestimmter Art sagt mir dass er nicht nur ein Traumtänzer ist sondern immer Mittel und Wege finden wird wenigstens einen Teil der Träume zur Erde zu holen
die du doch studierst
er liebt es das zu sagen und auch dass die Erde sogar in Kalifornien existiere ja dass ich sie gerade dort wo sie ja äußerst lebendig sei noch besser erforschen könne er sagte auch er bräuchte die Gravitation meiner Bücher und meine deutsche
Nach-Denklichkeit
(das Wort brachte ich ihm bei)
im Sonnenlicht
lehnen wir aneinander am Bahnsteig
in unseren Körpern lodert eine Flamme auf
die überschlägt
und uns verbindet als hätten wir keine Kleider keine trennende Haut
schon fährt der Long-Island-Zug ein das Quietschen Fauchen und Zischen eines höheren (stärkeren) Wesens überragt uns (nur eine Maschine) küss mich Eric
öffne die Augen
die gelb gestreifte Front der Lok dann
eine verschmierte blaue Eisenwand
Martin
Es sind nur noch zwei Meilen zu laufen
ein (Sabrinas) Kinderleben lang benötigte ich bis mir das Denken in Meilen Fuß Zoll selbstverständlich wurde die Bürotürme der UMass ragen wie Burgzinnen hinter fahl himbeerroten Sportplatzumzäunungen auf hinter denen sich undeutlich einige Frühsportler bewegen Studenten und Oberschüler wie in großen Netzen gefangen von schrecklichen Fischkuttern der Luft die Bilder
flirren vorbei verschwimmen verwischen zu
Lichtfiguren der Regen an jenem Tag vor einem Jahr an dem ich Sabrina nach Boston fuhr
endgültig wie ich immer wieder und wieder
denken muss
hörte plötzlich auf die Sonne brach schier gewaltsam hervor auf dem Fenster der Beifahrerseite das Sabrina zur Hälfte heruntergelassen hatte sah ich mit zerlaufenen Wassertropfen und kondensiertem Dampf gemalt
in dieser Vergangenheit den Spiegel einer Vergangenheit
die Silhouette der Alhambra wie Luisa und ich sie einen Monat zuvor vom Albacín-Viertel aus (auf einer Steinmauer neben einer weißen Kirche sitzend) erblickt hatten mächtig und doch gelassen auf ihrem ockerfarbenen Felssockel ruhend ich dachte
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