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September. Fata Morgana

Titel: September. Fata Morgana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lehr
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der anderenStädte die wir mit französischen Jagdbombern attackierten während ich mit den vertrauten Spritzen Kanülen Binden Kompressen Medikamenten von Aventis / Rhône-Poulenc / Sanofi das Leben der Instrumente des Todes zu erhalten versuchte junge Männer die auf Befehl alter Männer junge Männer ermordeten wie jener fast spurlos erschossene Perser) rutschte ein Gedichtband aus der Brusttasche der Uniform
    persische Ghaselen von Hafis und Rumi in arabischer Schrift (denke an Hölderlin und Rilke in den Gräben vor Verdun mein Freund endlich erreichten wir europäisches Niveau)
     
    Mein Herzliebster ist ein Kind,
    er wird mich spielend eines Tages
    töten ohne dass des Blutes
    das Gesetz ihn schuldig macht.
     
    blutige Kinder mit schwarzen Turbanen
    blutiges Kind in grüner Uniform
    ein Volk schafft das Monster dessen Kindereien seine Kinder morden
    blutige Greise die die Falltüren für ihre Enkel öffnen
    jedes Volk fürchtete das Monster des anderen Volkes kämpften wir deshalb vor Khorramshar bis selbst
    die Luft blutete
    ich kehrte zurück ich
    stand am gleichen Schulzaun (ungläubig wie ein Toter) ich umschloss wieder Jasmins kleine Hände mit den Händen an fast genau der gleichen Stelle sie erhielt die Erlaubnis mit mir nachhause zu gehen anstatt noch ein Lied auf den PRÄSIDENTEN auswendig zu lernen den neuen Saad ibn-Abi Waqqas der nach 1300 Jahren die Perser noch einmal schlagen und bekehren musste die Wiederholungen der Geschichte sind immer eine Farce so habe ich es (über Ali) von Marx gelernt der nicht geahnt hatte in welchem Ausmaß an Mordlust die Farcen ihre bescheidenen Originale zu übertreffen imstande sein würden ich führte Jasmin durch die Hitze im Juli durch die Baustellen eines immer noch reichen hämmernden bohrenden pulsierenden sich aufwärts in die chaotische Moderne der Zuspätgekommenen hebenden Bagdad für das der Krieg fast noch wie eine TV-Serie war etwas wie ein Unwetter in einem anderenLand das der PRÄSIDENT schier ganz alleine niederkämpfte an einer fernen Fernsehfront ich fürchtete Jasmin könnte die Kälte des Todes in meiner Hand durch mein Fleisch hindurch spüren ich schwitzte in der Uniform des IRREN den wir so bald wohl nicht mehr abzuschütteln vermochten (einen Sommer später versuchten es die Schiiten im Dorf Dujail das daraufhin fast vollständig von der Landkarte verschwand)
    noch zweimal ging ich in den Krieg
    ich sah
    die von deutschem Giftgas zerfressenen Gesichter und die wie mit Senf überkrusteten halb aufgelösten Gliedmaßen unserer Soldaten die man nicht rechtzeitig aus der Gefahrenzone unseres eigenen Angriffs gebracht hatte (bald darauf kehrten die Iraner mit Gasmasken made in Germany zurück)
    als es schlecht stand für
    den PRÄSIDENTEN und die nächsten hunderttausend Todgeweihten (nie wurde ich verletzt es war als hätte ich zum Ausgleich für den Feind im Gesundheitsministerium der mich an die Front schickte einen unsichtbaren Freund im Krieg der mich dort beschützte) als
    DERANJEDERWANDKLEBENDE
    Zehntausende ins Marschland jagte um bei 50 Grad Hitze Schilf zu schneiden damit es den vordringenden Feind nicht mehr tarnen konnte (während er selbst in immer neuen Bunkern und immer neuen absurden Palästen umherkroch) als ER die Kellner der Luxushotels an die Front schickte und mehr Überstunden von allen verlangte schließlich auch energisch mehr
    Fortpflanzung
    für mehr Kanonenfutter
    bekam Farida erschreckend fristgemäß mit der ihr eigenen rätselhaften unwiderstehlich ausbrechenden Kraft zu leben mit siebenunddreißig und achtunddreißig Jahren Kinder euch verrückte Himmelskinder als hätte sie den Entschluss gefasst mich auf diese absolute Art zurück ins Leben zu rufen oder besser nicht daraus gehen zu lassen
    kurz bevor du geboren wurdest Muna
    kamen die Amerikaner nach Bagdad und brachten neue Jagdbomber für den
    Krieg der Städte
    wir konnten nicht fliehen ich war registriert ich wurde überwacht und einberufen
    Farida stillte Muna
    stillte Sami
    in der Erbitterung der langsamen Zersetzung der Hoffnung erhältst du
    überwältigend physisch fast unvermeidbar absurd
    zwei atmende schreiende lachende Gründe zu leben zu heilen zu fluchen
    häufe nicht zu viele Wünsche auf den zerbrechlichen Körper eines Kindes stand bei al-Ghazzali in der Bibliothek meines Großvaters
    und nicht zu viel Angst sagte Farida
    ich sah die brennenden Tanker im Golf die Feuerbälle über den Ölplattformen und die mit grünen Stirnbändern markierten

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