September. Fata Morgana
bewegt aber niemals vergesse ich die zwei Gedanken die sich mühlsteinartig in meinem Kopf gegeneinander drehten zwischen den Restaurantgästen von denen einige wie gelähmt schienen andere mehr als beobachteten sie ein Fußballspiel und manche stumm beglückt oder schon lachend wie im Angesicht eines viel zu großen Geschenks
dass es Krieg geben würde
und dass es in dem Turm so sein musste wie es in der Schrift an der nicht zu zweifeln ist geschrieben steht wie
in einem Höllenfeuer
dessen Brennstoff Steine sind und Menschen
Martin
Etwas muss sich in dir
auftrennen
es ist nicht möglich zu überleben wenn du aus einem Stück gemacht sein willst wie eine gläserne Kugel die auf einen Steinboden geschleudert wird es ist nicht möglich
auch wenn ich zunächst so unfassbar ahnungslos blieb und keinen Riss in mir spürte ich hätte den Einschlag in den Südturm schier ohne Verzögerung mitverfolgen können (auf der geschlossenen unzerbrochenen gläsernen Schicht) in Echtzeit ich bin eine Viertelstunde vor neun zurück ins Haus gekommen (in eben der Minute den Sekunden womöglich) ich lasse tagsüber nie den Fernseher laufen ich schalte kein Radio ein ich bin so
befestigt so gleichgültig vertrauensselig
so einverstanden mit der
Welt ohne mich
dass ich vormittags sogar das Telefon stummschalte und so blieb ich während ich Wasser trank eine Dusche nahm an meinem Schreibtisch vorbei ans Fenster trat unerträglich ruhig gelassen unbeeindruckt von dem rasenden Anhämmern der Sehnsucht der verzweifelten Wut einer
zukünftigen
Erinnerung und trinke Kaffee und sehe in den Garten hinaus die ersten Ahornblätter auf dem fahl werdenden Rasen gelbe Drachenhände im September vor 186 Jahren erfand der Geheimrat (im Spätherbst seines Lebens) sich eine
Suleika
und eine kleine dreißigjährige Frau kam ihm entgegen das Zirkuskind das sich aufschwang in die Kuppel der poetischen Manege
nimm einen anderen Namen an um zu lieben um zu leben um dich zu retten um
nicht in Stücke zu springen ich
bin Hatem geworden ein kalter eitler souveräner innig alle Welt umfassender unzerstörbarer Titan
des Überblicks oder einfach nur ein Nichts im letzten Winkel unter der Zimmerdecke in den es mich geschleudert hat als ich von meinem Schreibtisch aufstand erst gegen 16 Uhr um endlich das Telefon einzuschalten und den Anrufbeantworter mit den verzweifelten Sätzen des Ölmannes
aus
der Finsternis
DER FERNSEHAPPARAT
ich bin da es ist
da
ich
(werde es niemals
berühren können ich)
stehe
auf dem gläsernen fliegenden Teppich zweihundert Meter hoch in der Luft über Downtown Manhattan vor dem Oberkörper eines CNN-Reporters der nur auf den Zehenspitzen vielleicht noch mit dem Rücken zum Abgrund (über der South Street oder der Water Street ungeheuerliche Fallschluchten wenn du erst einmal in der Luft bist) auf der äußersten Kante des Teppichs steht sich aber nur um mich sorgt sich unendlich bekümmert mir zuwendet und leicht nach vorn beugt mit schmerzlicher Miene vor den
Türmen im Hintergrund
die verschwinden wieder auftauchen wieder
verschwinden
wir sind plötzlich noch viel höher in den Himmel geraten und sehen die Battery den Financial District die gesamte Lower East Side wie ein düsteres riesiges Schiff das unter Rauchwolken erstickt vielleicht bombardiert von Raketen beschossen von unterirdischen Sprengladungenzerstört die man tonnenweise im Verlauf der vergangenen Monate dort versteckt hat ich
denke nichts
ich stehe auf dem schwankenden gläsernen Teppich vor dem CNN-Reporter als wollte ich ihn hinabwerfen als sich der
Himmel teilt blitzschnell sein wässriges Plasma in ein neues strahlend blaues Quadrat fließen lässt in dem die Türme
wiederauferstehen und nun
und noch immer denke ich nichts
es wird nur Zeit sich
zu spalten mein Bruder etwas von uns muss über den Dingen stehen über dem gläsernen Teppich über dem zerkochten zerrissenen zerstörten Herz es wird jetzt unerbittlich
klar der in der Höhe des 80. Stockwerks aus einem klaffenden Schlitz qualmende Nordturm
BREAKING NEWS
AMERICA UNDER ATTACK
TERRORISTS CRASH HIJACKED AIRLINERS CNN
INTO WORLD TRADE CENTER; PENTAGON LIVE
keine Wolke um daraus
zu fallen
ein auf dem Boden einer steinernen Höhle liegender bärtiger schlanker Mann mit orientalischer Kopfbedeckung die Wange in die Hand des rechten Arms gestützt unter einer Wolldecke locker plaudernd irgendwie
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