Septemberblut
musterte. Vorsichtig legte sie eine Hand auf meine Schulter, und ihre Finger ertasteten meine verhärteten Muskeln.
» Du hättest mich niemals so sehen dürfen, niemals « , sagte ich.
Amber antwortete nicht.
Ich begann wieder zu hassen, was ich war. Ihre Lebendigkeit an meiner Seite und ihre großen, erschrockenen Augen taten mehr weh als die Wunden, die Frederik mir geschlagen hatte.
» Danke « , flüsterte ich.
Amber weinte stumm. Sie rückte näher und blickte tief in meine Augen.
»Wie lange bist du so?«, fragte sie schließlich und strich mir wieder über den Arm.
» Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Normalerweise verlässt meine Seele den Körper, sobald die Sonne aufgeht, nur wenn Gefahr droht, kehrt sie zurück. «
»Und wo bist du dann, tagsüber?«
» Ich weiß es nicht. Ich träume und es ist hell dort. Was glaubst du, wohin gehen die Seelen von Vampiren? «
Amber zuckte mit den Schultern und zog leise die Nase hoch. »Keine Ahnung. Ich weiß ja noch nicht mal, wohin meine geht, wenn ich nicht mehr bin.«
Schnelle Schritte ertönten.
» Das ist Robert .« Ich hatte das Auto gar nicht kommen hören.
Mit der Schrotflinte unter dem Arm stürmte er in die Gruft.
Amber sprang erschrocken auf.
AlsRobert sah, dass keine Gefahr mehr drohte, legte er die Waffe weg.
Er ging erst zu Steven, dann kam er zu mir. Ich war unglaublich erleichtert, ihn zu sehen und kurz den festen Druck seiner Linken auf meiner Schulter zu spüren. Er blickte mir in die Augen.
»Julius, der Meister kommt, sobald es ihm möglich ist. Glaubst du, der Killer kehrt zurück?«
» Nicht, solange Amber hier ist. Sie ist seine Schwester. Er ist geflohen, als sie kam. «
»Dann will ich hoffen, dass Sie noch eine Weile bei uns bleiben. Ich bin Robert.« Er gab ihr die Hand. Amber ergriff sie zögernd.
Curtis’ Diener hatte eine große Tasche mit allerlei medizinischem Gerät mitgebracht.
»Ihr seht beide ganz schön scheiße aus, wenn ich das so sagen darf.«
Robert beugte sich dicht über meinen toten Freund und betastete die Haut neben dem Pflock. »Steven wird mindestens zwei Wochen brauchen, um sich halbwegs zu erholen.«
Was sagte er da? » Er lebt? «
»Ja. Wenn das ein Profi war, fresse ich einen Besen. Er hat das Herz verfehlt.«
Ich konnte mein Glück kaum fassen. Steven lebte! Auch Amber trat jetzt näher und beugte sich über den jungen Vampir.
»Julius, ich kümmere mich erst einmal um dich. Ich ziehe den Pflock nicht, bevor der Meister da ist.«
Ich konnte schon wieder blinzeln. Sah zu, wie Robert mein fehlendes Stück Finger auf dem Boden suchte und fand. Er reinigte es und sterilisierte auch meine Hand.
»Haben Sie das schon öfter gemacht?«, fragte Amber unsicher.
»Ich habe schon so einiges gesehen, glauben Sie mir.«
AlsRobert Nadel, Faden und Messer zurechtlegte, setzte sich Amber zu mir und kehrte dem Diener den Rücken zu.
Mit aller Willensanstrengung drehte ich meinen Kopf und sah sie an. Meine schöne Amber. In ihrem roten Haar glitzerte es.
» Du bist ein Engel. Es ist Gold in deinem Haar .«
Amber berührte ihre Strähnen. Sofort regneten funkelnde Sterne hinaus und taumelten langsam zu Boden. »Als du mich gerufen hast, war ich bei der Arbeit. Ich bin Vergolderin, Julius. Ich streife mir mit dem Pinsel durch das Haar, bevor ich neues Gold aufnehme. Hin und wieder bleiben Flitter hängen.«
» Das hast du mir nie erzählt .«
Plötzlich erbebte mein ganzer Körper. Ein Seufzen entwich meiner Kehle, ohne dass ich es verhindern konnte. Amber erschrak.
Robert nähte. Als ich zu zittern begann, hielt er fluchend inne.
»Oh Gott, Julius, was hast du?«
Robert beruhigte sie. »Das ist ein ganz normaler Prozess bei einem Vampir. Das Leben kehrt in seinen Körper zurück. Der Vorgang setzt ein, wenn die Sonne untergeht. Bei Alten eher, bei Jungen später«, referierte er.
» Robert, ich bin keine exotische Spezies .«
»Doch, genau das bist du!« Er lächelte und wandte sich dann wieder Amber zu, die mich neugierig musterte. »Wenn Sie Julius wirklich helfen wollen, schenken Sie ihm Blut, sobald er wach ist.«
» Das muss sie nicht, Robert. «
»Okay, dann nicht. Es ist eure Sache.«
Er nähte schweigend weiter, während Amber mit Grauen und Faszination zusah, wie meine wächserne Haut wieder menschlich und weich wurde.
Alsmein Herz den ersten schmerzhaften Schlag tat, bäumte ich mich auf. Dann wurde es besser. Luft füllte meine Lungen.
»Amber …«, flüsterte ich. Ihr
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