Septemberblut
rundete auch die scharfen Splitter der Holztür. Die Farbe ließ mich hoffen. Die Sonne stand tief. Nicht mehr allzu lange, und mein Körper würde erwachen.
Ich kann es schaffen, beschwor ich mich, ich werde es schaffen!
Frederik wühlte in der Truhe, die er noch nicht zertrümmert hatte. Metall klirrte. Anscheinend suchte er meine Messer zusammen.
Ich schielte zu Steven. Seine innere Stimme war verstummt, der Körper leblos. » Es tut mir so leid « , flüsterte ich.
Der Untote kam mit den Messern zurück und legte sie auf meinem wehrlosen Körper aus.
Ich blickte auf die Klingen, die ich mir einst hatte anfertigen lassen. Stahl mit hohem Silberanteil, Griffe aus Ebenholz, geätzte florale Muster, die wie schlanke Tiere über die Klingen krochen.
»Was magst du lieber? Deine Finger oder deine Zehen?« Frederik bleckte die Zähne und lachte.
Er ließ die Klinge vor meinen Augen tanzen und zog sie über meine Wangen, ohne mich zu schneiden. Dann zerrte ermeinen steifen Arm aus seiner alten Position. Er stand hoch, als gehöre er nicht zu mir, rigor mortis, die Finger zu Klauen gekrümmt.
Frederik streifte jeden Finger mit der Klinge. Erstes Blut und scharfer Schmerz. Ich versuchte ruhig zu bleiben, ihm nicht die Genugtuung zu geben, sich an meiner Angst zu weiden. Verzweifelt beschwor ich die weiße Leere hinauf, die ich meinen Opfern beim Trinken bescherte. Ich verdrängte meine Gedanken und schloss die Augen.
Frederik berührte alle Finger nacheinander mit der Klinge und schnitt jedes Mal tiefer. Es ging nicht! Ich konnte mich nicht selbst betäuben.
» Curtis, bitte! « , schrie ich, als der Stahl erneut in meine Haut biss. Mein Schöpfer war weit weg, doch er hörte mich. Wie ein kühler Wind floss seine Energie in den Raum und durch meinen Körper.
Frederik zögerte. »Was war das?«
» Mein Meister « , hauchte ich und ergab mich seiner Macht, die mich wie ein kleines Kind in Watte bettete. Plötzlich wusste ich, dass Curtis weinte.
Er lag weit weg in seinem Sarg unter dem Lafayette und weinte, vergoss Tränen um meinetwillen.
Tiefer und tiefer fiel ich in die Dunkelheit seiner Magie, und meine Panik wich stumpfer Gleichgültigkeit. Ich schwamm schwerelos in einem See aus Taubheit. Totenmagie wirkte besser als jedes Betäubungsmittel.
Als Frederik mir schließlich den kleinen Finger abhackte, spürte ich nichts. Ich war zu weit weg von meinem Körper.
Ein warmes Brummen erklang und wurde langsam lauter. Was war das?
Ich blinzelte und versuchte mich zu konzentrieren, doch die Zauberkraft meines Meisters hatte mich Meilen und Welten weit weg gerissen.
Curtisübertrieb. Das war ein sicheres Zeichen dafür, dass er an meiner Rettung zweifelte. Er sandte mir seine Erinnerung an goldenen Sonnenschein. Seine Sonne, die vor fast sechshundert Jahren zum letzten Mal aufgegangen war. Licht und Wärme streichelten meine Haut und ich hatte das Gefühl, dass selbst meine dunkle Gruft ein wenig heller wurde.
Das Brummen wurde lauter und riss mich mit einem Schlag aus der Illusion. Der alte Ford! Das war meine Rettung. » Amber! «
Kapitel23
»Amber?«, fragte Frederik ungläubig. »Meine Schwester? Was hast du mit ihr zu schaffen?«
Er ließ die Messer fallen, sprang auf, durchwühlte hektisch meine Kisten und nahm prüfend Holzstücke in die Hand, die aus meinen Möbeln gebrochen waren. Ich wusste genau, wonach er suchte: einem Pflock. Er wollte es unbedingt zu Ende bringen, bevor seine Schwester ihn aufhalten konnte.
Draußen erstarb der Motor und eine Autotür schlug zu.
» Amber, Vorsicht, er ist hier unten, er ist bewaffnet! «
»Julius!« Sie rief meinen Namen, leise und von Ferne, aber sie war da!
Frederik zerrte an dem Pflock in Stevens Brust, doch der saß fest.
Dann bekam er einen der Armbrustbolzen zu fassen, aber seine Hände zitterten, und er ließ ihn fallen. Hatte er Angst, dass Amber ihn so sah? Steckte etwa doch noch ein Rest von Gefühl in ihm?
»Julius, bist du hier drin?«
Amberseilige Schritte erklangen auf den Stufen.
Frederik duckte sich hinter die eingeschlagene Tür.
Dann war sie da, meine Retterin. Sie lief direkt am Versteck ihres Bruders vorbei zu Steven, dann zu mir.
» Er ist hinter dir! « , schrie ich.
Amber schnellte herum. Sobald sie Frederik entdeckte, lief er los.
Die Treppen hinauf ins Freie.
Amber verharrte einen Augenblick wie erstarrt, als brauchte sie Zeit, um zu verstehen, was ihre Augen ihr weismachen wollten, dann rannte sie ihrem Bruder
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