Septembermann: Lovestory (German Edition)
hatte. Für ihn war es ein abenteuerlicher Nervenkitzel. Als er eines der Päckchen von einem Mittelsmann in Empfang nahm, leuchteten unerwartet die Grenzstrahler und die Dunkelheit wurde zum funkelnden Lichtermeer. Sie forderten Stefan auf, in das Meer zu springen. Er ließ seine Schmuggelware fallen und rannte zum Holzsteg. Seine Unkenntnis über das hüfthohe Gewässer wurde ihm zum Verhängnis, als er zum Kopfsprung ansetzte.
„Wir zogen den leblosen Körper heraus, verständigten das Uferhospital und seine Frau per Handy“, endet Truc atemlos, ballt seine Hände krampfhaft zur Faust und schaut zu Boden.
Peter dreht ihm den Rücken zu und ringt um Fassung. Typisch Stefan, allzeit auf der Suche nach einem Kick und sein jugendlicher Leichtsinn hat ihm das Genick gebrochen.
Es dauert Tage, bis sie vom deutschen Konsulat die Überführungsverfügung erhalten und zurück nach Deutschland fliegen. Mit einem Passagier im Frachtraum. Doreen, Stefanie und Peter fühlen sich während des langen Fluges wie in einer Röhre gleißender, hohl klingender Dunkelheit, geprägt von Duellen aus Schweigen und Augenkontakten.
Stefans Aufbahrung in der Leichenhalle zum offenen Abschiednehmen in Bodenseestetten schnürt den Mitgliedern der Patchworkfamilie die Kehlen zu. Der Thanatologin, die Kosmetikerin seiner letzten Ruhe, ist es gelungen, dass der Ehemann, Vater, Großvater und Freund Stefan ausschaut, als schliefe er in einem Blumenmeer.
Zur Beerdigung schieben schwarz gewandete Träger den Sarg mit Stefan aus der kleinen Kapelle, deren Buntglasfenster Licht spenden, und tragen ihn über den Kiesweg zur Grabstätte. Der Trauerredner, ein Diplomat des Lebewohls, vermittelt Quellen des Trostes. In seiner Rede geht es um Würdigung und Wertschätzung des Toten, bevor Stefan in seinen erdigen Dauerschlaf im Schatten eines stattlichen alten Baumes auf dem Friedhofsgelände versinkt.
*
E-Mail from Sascha to Debbie
Hello, Arizonagirl, how are you?
Debbie, wenn Du mich jetzt sehen könntest! Meine lockige Mähne wallt mir bis auf den Rücken. Zeit für ein Komplettstyling, das mit einem heißen Bad im Hotel begann, gefolgt vom Friseurbesuch und mit einer Shoppingtour durch die Boutiquen endete. Du, das Ergebnis, das mir der Spiegel zeigte, gefiel mir.
Vor meinem Abflug nach Deutschland bekam ich eine Art Lampenfieber. Mir wurde heiß und kalt, als mir bewusst wu rde, dass mein Prozess des Loslassens von Selbstvorwürfen Dir gegenüber hart, aber gerechtfertigt war.
Chicago – Illinois – Missouri – Tulsa – Oklahoma – Amarillo – Santa Fe –Albuquerque – Holbrook – Flagstaff – San Be rnardino – Los Angeles, hier endete meine Traumstraße.
Ich schließe mein Streetlogbuch und freue mich, bald zu Hause zu sein.
Auf Wiedersehen in Germany, Debbie!
Dein Sascha
Flughafen Stuttgart: guten Tag, Deutschland.
Saschas Herz jubelt und er beschließt, statt einen Leihw agen den Bus für die Heimfahrt zu benutzen, um die landschaftlichen Reize seiner Heimat genießen zu können. Das satte Grün der bewaldeten Hügel und Wiesen zieht wohltuend beim Blick aus dem Fenster an ihm vorüber, während seine Gedanken ein Mosaik der letzten Wochen kreieren.
Ein Vorhang in seinem Inneren wurde von Meile zu Meile auf der Traumstraße stufenweise aufgezogen, der ihn mit den tiefsten Schichten seiner Seele berührte, bis er nach einer Besinnungspause in der Lage war, sich mit seinen Gefühlen objektiv auseinanderzusetzen, und die Weichen für seine Zukunft stellte. Jetzt will Sascha sein altes Leben zurück.
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Es ist Hochsommer in Bodenseestetten. Die Cafétische und –stühle der Gaststätten belagern allerorts die Gehwege und die Menschen sprühen vor Agilität.
Cora wird durch das Telefonklingeln geweckt und ist erst beruhigt, als Jane bestätigt, dass es ihr den schweren Umständen entsprechend prächtig geht.
Ihre Freundin erzählt, dass sie zuschaute, wie die Sonne mandarinenorangefarben über dem Schwäbischen Meer aufging und dass sie das grandiose Farbenspiel für ihre schlaflose Nacht, in der sie sich von einer Seite auf die andere wälzte, entschädigte.
„Cora, Freitag der Dreizehnte gibt sich die Ehre. P araskavedekatriaphobia ist der Fachausdruck für die Heidenangst vor diesem Datum auf dem Kalenderblatt. So ein Zungenbrecher. Wieso eigentlich nicht der Elfte oder Vierzehnte? Sind deine müden Gehirnzellen in der Lage zu so früher
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