Septimus Heap 02 - Flyte
blickte liebevoll zu Septimus, Jenna, Alther und sogar Beetle, denn möglicherweise sah sie die vier zum letzten Mal als lebender Mensch.
»... DomDaniel!«
Ein gellender Schrei zerriss die Luft.
Jenna hielt vor Schreck den Atem an, überzeugt, dass Marcia geschrien hatte. Der Schrei hörte nicht auf, sondern erfüllte den Raum wie das Heulen und Kreischen einer Todesfee. Beetle konnte es nicht ertragen. Er warf sich zu Boden und vergrub den Kopf unter einem Kissen. Jenna hielt sich die Ohren zu, aber Septimus hörte genau hin. Er sperrte Augen und Ohren auf, denn er wollte die mächtigste Magie, die er je erlebt hatte, sehen, wollte sie hören, wollte sie spüren, aber vor allem wollte er an ihr teilhaben.
Er trat einen Schritt auf Marcia zu.
Den lila Zaubermantel zu ihrem Schutz fest um sich geschlungen, stemmte sich Marcia mit dem Rücken gegen die Tür. Vor ihr stand das Gerippe und griff mit seinen Knochenfingern nach dem Echnaton-Amulett an ihrem Hals. Septimus sah, wie der lila Nebel dichter und dunkler wurde und die Umrisse Marcias und des Gerippes darin verschwammen.
Alther schüttelte besorgt den Kopf. Dieser anhaltende Schrei. Hier stimmte etwas nicht. Die Benennung funktionierte nicht so, wie sie sollte.
Septimus erreichte den lila Nebel.
»Nicht!«, brüllte Alther gegen das schreckliche Kreischen an. »Bleib zurück, Septimus. Das ist hochgefährliche Magie!«
Septimus hörte nicht hin. Das Kreischen wurde unerträglich laut, und er trat in den magischen Nebel – und in eine Welt der Stille und Langsamkeit. Er gewahrte, dass Marcia ihn gesehen hatte. Ihre Lippen bewegten sich, aber kein Laut kam aus ihrem Mund, und sie hob die Hand, wie um ihn davon abzuhalten, noch näher zu kommen.
Septimus stand im magischen Kraftfeld und versuchte zu verstehen, was vor sich ging. Jetzt konnte er sehen, wie DomDaniels Gestalt um das Gerippe herum erschien. Er erkannte den kurzen Zylinder des Schwarzkünstlers, sein zotteliges Haar und seinen langen schwarzen Mantel. Und seine dicken Hände griffen noch immer nach dem Amulett. Marcia hatte ihn richtig benannt, und trotzdem funktionierte es nicht! Und dann begriff er. Marcia hatte zwei Gegner.
Jetzt sah er, was Alther gesehen hatte. Der Schatten war keine formlose Gestalt mehr, sondern ein grimmig aussehender junger Mann mit gelben Augen, der die Zähne zu einem fratzenhaften Grinsen entblößte. Ellis Crackle, der einstige Lehrling DomDaniels, stand neben Marcia und hob die Wirkung der Benennung auf.
Wie unter Wasser watete Septimus durch den magischen Nebel auf Marcia zu. Er sah, wie Ellis Crackle die Hand ausstreckte, um ihn wegzustoßen, und er wusste, dass es jetzt Lehrling gegen Lehrling hieß. Er hob die Hand. Ihre Hände berührten sich, und er spürte die Kälte des Schattens. Er sah Ellis Crackle in die Augen, und dieser erwiderte seinen Blick, Gelb gegen Grün. Er konzentrierte sich fest, und langsam, ganz langsam ließ er den unglücklichen Ellis Crackle erstarren.
Plötzlich sahen Alther, Jenna und Beetle, wie Ellis Crackle aus dem lila Nebelknäuel herausgeschleudert wurde, umhüllt von schwarzem Rauch durch den Raum wirbelte und verzweifelt nach dem Ausgang suchte. Alther wünschte sich nichts mehr, als dass der Schatten von Marcia wich, und so tat er etwas, was er nicht oft tat – er ließ etwas geschehen. Ein Luftzug fegte durch den Raum, das größte Fenster sprang auf, und der Schatten Ellis Crackles flog hinaus und verflüchtigte sich in der klaren Sommerluft.
Das helle Licht blendete Jenna nach der Dunkelheit im Zimmer, und es dauerte eine Weile, bis sie die menschliche Gestalt bemerkte, die sich vor dem Fenster gegen die Sonne abzeichnete. Auf einer breiten Holzplattform, die vom Fenstersims nach draußen ragte, balancierte unsicher Simon Heap.
Alther bewirkte, dass das Fenster zuknallte, doch Simon stieß es wieder auf und sprang ins Zimmer. Jenna flüchtete, und Beetle, der eben erst wieder unter dem Kissen hervorgekrochen war, legte schützend den Arm um sie. Aber diesmal galt Simons Interesse nicht Jenna, sondern dem Gerippe.
Seit Ellis Crackles Entschwinden lichtete sich der magische Nebel, und drei Gestalten wurden sichtbar, von denen eine – die Hand noch immer nach Marcias Hals ausgestreckt – sich rasch auflöste.
Simon stürzte zu der zerfallenden Gestalt. »Hier bin ich, Meister!«, rief er. »Ihr neuer Lehrling ist hier!«
Simon brannte so darauf, DomDaniels Lehrling zu werden, dass ihm im ersten Moment gar nicht
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