Septimus Heap 02 - Flyte
spreizen und zu fliegen – und Marcia verstand genug von Drachen, um zu wissen, dass er durch nichts davon abzuhalten war.
»Wir müssen ihn auf die Startrampe hinausschaffen«, rief sie. »Ich möchte nicht, dass er seinen Erstflug hier drin macht.«
»Auf was für eine Startrampe?«, fragte Septimus verwirrt.
»Na, die alte da draußen vor dem Drachenfenster«, antwortete Marcia und deutete auf das Fenster, das Simon vorhin geöffnet hatte.
»Ach so ...« Jetzt endlich ging Septimus auf, warum in den steinernen Sturz über dem Fenster ein kleiner fliegender Drache eingemeißelt war.
»Keine Sorge«, sagte Marcia, »die Rampe dürfte sicher sein. Alle Außergewöhnlichen müssen sie instand halten – man weiß ja nie, ob man sie mal braucht. Nur leider bietet sie auch Dummköpfen wie Simon Heap einen Platz zum Landen.«
Mit einer Schachtel Kekse, die Septimus unter dem Spülstein fand, lockten sie Feuerspei zur Startrampe. Die Kekse waren feucht und matschig, aber das schien den Drachen nicht zu stören. Er hockte draußen auf der hölzernen Plattform, mampfte zufrieden und ließ den Blick über die Burg schweifen, die unter ihm lag wie ein überdimensionales Burgenschachbrett.
Drinnen war unterdessen eine Diskussion im Gang.
»Septimus«, sagte Marcia, »ich möchte nicht, dass du bei deinem Erstflug etwas Kompliziertes versuchst. Du sollst nur einmal um den Turm herum fliegen und dann im Hof landen. Willst du einen Navigator?«
»Einen was?«, fragte Septimus, blickte aus dem Fenster und spürte, dass er weiche Knie bekam.
»Im Draxx, Regel 16 b, Absatz viii, heißt es: Ein Navigator kann nur zum Einsatz kommen, wenn die betreffende Person am Erstflug teilgenommen hat. Wenn du also einen Navigator willst, dann jetzt oder nie.«
»Mich darfst du nicht fragen, Sep«, sagte Beetle entschuldigend, während er zusammen mit Marcia den Schwanz des Drachen aus dem Fenster schob. »Ich bin noch fünf Jahre ans Manuskriptorium gebunden. Außerdem bekomme ich nur alle zwei Wochen einen Tag frei, wenn ich Glück habe. Glaub also nicht, ich könnte als Navigator einspringen. Obwohl ich mir denken könnte, dass ich die Stelle los bin ... nach allem, was passiert ist.«
»Natürlich wirst du die Stelle behalten«, versicherte ihm Marcia. »Was man von Hugh Fox nicht behaupten kann.«
»Danke«, sagte Beetle.
»Ich tu’s, Sep«, erbot sich Jenna. »Ich fliege als Navigator mit. Das heißt, wenn du überhaupt einen willst.«
»Das würdest du wirklich tun, Jenna?«, fragte Septimus, schon etwas heiterer bei der Vorstellung, dass er wenigstens Gesellschaft hatte, wenn er hundert Meter über dem Erdboden schwebte.
»Aber natürlich. Es wäre mir eine Ehre.«
Draußen auf der Rampe verdrückte Feuerspei den letzten Keks und schluckte dann, um ja keinen Krümel zu verschwenden, gleich die ganze Schachtel hinunter. Er schnupperte die Abendluft. Wie alle Drachen vor ihrem Erstflug erschauderte er vor Erregung. Er schnaubte laut und schlug vor lauter Vorfreude mit dem Schwanz aus. Marcia und Beetle konnten sich im letzten Moment mit einem Sprung in Sicherheit bringen.
»Du solltest jetzt schleunigst aufsitzen, Septimus«, sagte Marcia. »Du willst sicher nicht, dass er ohne dich losfliegt – und wir wollen nicht, dass die Burg auf Jahre hinaus von einem reiterlosen Drachen unsicher gemacht wird.«
Septimus zwang sich, durchs Fenster auf die Startrampe zu klettern. Du kannst es schaffen, sagte er sich. Du bist auf einen hundert Meter hohen Baum geklettert, du bist über eine wackelige Brücke ins oberste Stockwerk eines Hexenhauses balanciert, und du hast ein Boot geflogen. Du hast keine Höhenangst. Nicht die geringste. Doch was er sich auch einredete, seine Beine beeindruckte es nicht. Sie waren immer noch wie Wackelpudding.
»Los, Sep«, sagte Jenna und kraxelte hinter ihm auf die Rampe, fasste ihn um die Schulter und führte ihn über die breite Holzplattform. Für einen Moment geriet er ins Wanken, als ihm der Wind, der um die Turmspitze wehte, ins Haar fuhr. »Alles in Ordnung«, flüsterte Jenna. »Sieh doch, Feuerspei wartet darauf, dass du aufsitzt.«
Septimus hatte keine Ahnung, wie er es angestellt hatte, aber ein paar Sekunden später saß er auf dem Rücken des Drachen, in einer Kuhle direkt vor den Schultern. Die Stelle war wie zum Sitzen geschaffen, und er fühlte sich erstaunlich sicher. Die Schuppen des Drachen waren zwar glatt, hatten aber leicht vorstehende Ränder, die ein Abrutschen
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