Septimus Heap 02 - Flyte
Funktionen hatte. Sie vermisste ihn.
Beim Gedanken an Septimus fiel ihr der Schokoladen-Charm wieder ein, den er ihr am Morgen geschenkt hatte. Wo hatte sie ihn nur hingetan? Da war er ja, feucht und klebrig, ganz unten in der Tasche ihres Kleides. Sie zog ihn hervor, hielt ihn in der Hand und schielte nach der Inschrift:
Nimm mich, schüttel mich,
und ich mach für dich:
Quetzalcoatls Schokoladl.
Also dann, dachte sie, einen Versuch war es wert.
Sie rief sich in Erinnerung, was Septimus gesagt hatte, als er die Verwendung des Charms erklärt hatte. Dann legte sie die hohlen Hände aneinander und schüttelte den Charm darin so fest sie konnte, um ihn zu aktivieren. Und beim Schütteln flüsterte sie die Worte, die auf der kleinen braunen Tafel standen, und richtete alle ihre Gedanken auf das, was sie wollte. Und tatsächlich, es funktionierte. Der Charm in ihren Händen wurde warm und weich, als wäre er ein richtiges Stück Schokolade. Und genau wie Septimus vorausgesagt hatte, begann er im nächsten Moment zu summen wie eine kleine Fliege, die in ihren Händen gefangen war. Jenna wartete, bis er so heiß war, dass sie ihn kaum noch halten konnte, dann drückte sie ihn auf den Gegenstand, den sie in Schokolade verwandeln wollte – die Zellentür.
Eigentlich glaubte sie nicht, dass der Charm eine dicke Eisentür in Schokolade verwandeln konnte. Doch als sie ihn gegen die Tür presste, spürte sie zu ihrem Erstaunen, wie das harte, von Rost angefressene Metall eine glatte Oberfläche bekam und sich leicht erwärmte. Und noch etwas hatte sich verändert. Jenna schnupperte – ein schwacher Kakaoduft lag in der Luft. Zögernd nahm sie den Charm von der Tür. Er war jetzt kühl. Sie steckte ihn wieder ein und betrachtete die Tür. Auf den ersten Blick war keine Veränderung zu erkennen, doch bei genauerem Hinsehen bemerkte sie, dass die rostigen Angeln und selbst die Klappe über dem Schlüsselloch aus Schokolade bestanden. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch nie so viel Schokolade gesehen, und leider hatte sie noch nie so wenig Lust gehabt, welche zu essen.
Bald musste sie feststellen, dass einer acht Zentimeter dicken Platte aus Schokolade, die obendrein in der kalten Nachtluft rasch abkühlte, nicht so ohne weiteres beizukommen war. Sie stemmte sich mit aller Kraft dagegen, doch die Platte gab keinen Millimeter nach, als sei sie noch immer aus Eisen. Darauf kratzte sie Späne von der Tür, damit sie dünner wurde, doch das war Schwerstarbeit, und sie hatte das Gefühl, dass sie dafür die ganze Nacht brauchen würde.
Enttäuscht setzte sie sich auf die Bettkante, und während sie überlegte, was sie jetzt tun sollte, aß sie einige Späne – die Schokolade schmeckte sehr gut, sogar noch besser als die Schokobatzen aus dem Süßwarenladen am Ende der Zaubererallee. Die Schokolade half ihr, klarer zu denken, und nach ein paar Minuten begriff sie, dass sie einen scharfen Gegenstand brauchte, mit dem sie ein Loch in die Tür bohren konnte. Simon hatte darauf geachtet, dass in der Zelle kein scharfer Gegenstand war, doch als Jenna sich umsah, entdeckte sie schon nach kurzer Zeit, dass auch Simon nicht an alles dachte. Er hatte die Sprungfedern des Bettrostes übersehen.
Sie warf die dünne Matratze vom Bett und drehte an einer Sprungfeder, die lockerer saß als die anderen, bis sie ein scharfes, spitzes Stück Metall in der Hand hielt. Dann machte sie sich an die Arbeit und begann, während Simons Schnarchen weiter beruhigend durch die Wände drang, ein Loch in die Tür zu kratzen, das groß genug war, um sich hindurchzuzwängen.
Eine Stunde später hatte Jenna mit der Sprungfeder ein Rechteck in die Tür geschnitten. Jetzt brauchte sie nur noch dagegen zu drücken und darauf zu achten, dass es beim Hinausfallen nicht zu viel Lärm machte. Vorsichtig drückte sie gegen eine Seite des Rechtecks, und zu ihrer Freude gab es leicht nach. Ganz leise legte sie die Platte aus Schokolade auf den Boden, und für den Fall, dass sie später Hunger bekam, brach sie die Schlüssellochklappe ab und steckte sie in die Tasche. Dann schlüpfte sie durch die Öffnung, stand auf und wischte sich die Schokoladenhände am Kleid ab.
Simon schlief noch. Sein lautes Schnarchen hallte durch den großen runden Raum und hatte etwas seltsam Beruhigendes. Wenigstens war es ein menschlicher Laut. Auf Zehenspitzen schlich Jenna an der weißen Schüssel der Camera obscura vorbei, und als sie einen letzten Blick auf die merkwürdig fesselnde
Weitere Kostenlose Bücher