Septimus Heap 02 - Flyte
gegeben hatte. Er hob den Kopf, als sie aus dem Tunnel auftauchte.
»Hallo, Donner«, flüsterte sie. Er beäugte sie nur kurz und mampfte dann weiter.
Gut, dachte Jenna, er erinnert sich an mich. Sie trat ganz langsam an ihn heran und tätschelte ihm den Hals. Es erschien ihr grausam, ihn schon wieder in die kalte Nacht hinauszuführen, aber ihr blieb nichts anderes übrig. Sie ging zur Wand, nahm das Zaumzeug vom Haken und kehrte vorsichtig zu Donner zurück. Der Rappe war nicht begeistert. Er schüttelte den Kopf und schnaubte laut.
»Pst, Donner«, flüsterte Jenna. »Brav. Ganz brav.« Sie tätschelte ihm sanft die Nase, dann fasste sie in die Tasche, nahm die Schlüssellochklappe aus Schokolade heraus und hielt sie ihm mit ausgestreckter Hand hin. Donner knabberte daran und sah sie überrascht an. Sie war sich ziemlich sicher, dass er von Simon niemals Schokolade bekam. Und mit gutem Grund. Auch sie würde ihrem Pferd niemals Schokolade geben. Aber manchmal war Bestechung der einzige Weg.
In der Hoffnung auf mehr Schokolade ließ sich Donner das Zaumzeug umlegen und satteln. Jenna wollte ihn gerade hinausführen, da kam ihr eine Idee. Sie hob eine Hand voll Steine vom Boden auf, verwandelte sie mit Hilfe des Charms in Schokolade und steckte sie in die Tasche. Einen behielt sie in der Hand und wedelte damit vor Donners zuckender Nase.
»Komm, Donner«, lockte sie mit sanfter Stimme, »komm, mein Junge, gehen wir.«
* 20 *
20. Ein Landwurm
» Ö ffnen zu dir befiehlt, Meister dein, Nomis.« Die Worte kamen Jenna nur widerwillig über die Lippen. Sie hatte nie zuvor einen Umkehrzauber in den Mund genommen und hoffte, dass es auch bei diesem einen Mal blieb, aber jetzt musste es sein. Die Wurmhöhle war mit einem mächtigen Eisenspund verschlossen, und wenn sie den in Schokolade verwandeln wollte, würde sie nie und nimmer bis zum Morgen frei sein. Sie hielt den Atem an und hoffte, dass sie sich die Zauberformel richtig gemerkt hatte.
Sie hatte. Zu ihrer Erleichterung schwang der dicke Eisenspund lautlos nach außen, und das fahle Licht des guten alten Mondes fiel in die Wurmhöhle, begleitet von einem Windstoß und ein paar Regentropfen.
»Komm, Donner, komm, mein Junge«, flüsterte sie und lockte das zögernde Pferd mit dem Schokoladenstein in die Nacht hinaus. Der dunkle Schieferbruch bot keinen einladenden Anblick. Wind heulte durch die Schlucht und verhieß kalten Regen. Jenna schauderte, als sie in die Nacht hinaustrat. Sie zog Lucys Mantel enger und führte Donner den schmalen Pfad zu dem Weg hinunter, der am Rand der Schlucht verlief.
»Ganz ruhig, Donner, ganz ruhig«, raunte sie dem Rappen zu, der sich ängstlich umblickte, mit den Ohren zuckte und in die Nacht lauschte. Sie schwang sich in den Sattel, ohne zu wissen, ob Donner einen neuen Reiter annehmen würde. Er scheute nicht, vielleicht weil er sich während des langen Tagesritts schon an sie gewöhnt hatte. Als sie »Hü, Donner« sagte und ihm sanft die Hacken in die Flanken drückte, setzte sich der große Rappe gemächlich in Bewegung und trottete auf demselben Weg zurück, den er erst vor Stunden so mühsam erklommen hatte.
Jenna kam gut mit ihm zurecht. Obwohl er Simon gehörte, war er anscheinend ein gutmütiges Tier. Trittsicher folgte er dem Weg, während sie kerzengerade im Sattel saß und die steile Felswand nach verdächtigen Bewegungen absuchte. Je schneller die Schlucht hinter uns liegt, desto besser, dachte sie und ermunterte Donner zu einem scharfen Trab.
Hinter der ersten Biegung blieb der Rappe plötzlich stehen. Eine Steinlawine war niedergegangen und versperrte ihnen den Weg. »Oh, nein«, stöhnte Jenna.
Hier war kein Durchkommen. Vor ihr türmten sich zackige Felsblöcke und mächtige Schieferplatten zu einem riesigen Haufen. Zu ihrer Rechten war die Steilwand, und zu ihrer Linken, auf dem Grund der Schlucht, der reißende Fluss.
Sie mussten umkehren.
Jenna wollte wenden, doch der Rappe bockte. Er schüttelte den Kopf und brachte das Zaumzeug zum Klirren.
»Pst, Donner!«, beruhigte ihn Jenna. »Komm schon, dreh dich um.« Aber er rührte sich nicht vom Fleck. Das Herz schlug Jenna bis zum Hals, als sie abstieg und das Pferd mit einem weiteren Schokoladenstein dazu überredete, sich umzudrehen. Im Nu saß sie wieder im Sattel und ritt schweren Herzens wieder bergauf in Richtung Höhle.
Es war eine Schinderei. Donner hatte nun Gegenwind, aber er war froh, dass es wieder nach Hause ging. An der Stelle
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