Septimus Heap 02 - Flyte
hörte auf, hin und her zu gehen, legte sich wieder hin und kühlte seine schmerzenden Hände im Gras.
Über ihnen brannte die weiße Sonne von einem wolkenlosen Himmel – und weit entfernt, jenseits der Marram-Marschen, tauchte ein dunkler Punkt am Horizont auf.
* 29 *
29. Ein Luftkampf
S e ptimus sah ihn zuerst. Ein unheilvolles Knistern lag in der Luft, und die Nackenhaare sträubten sich ihm. Ruckartig setzte er sich auf. »Was ist los?«, fragte Jenna, die aus dem Schlaf hochschreckte. »Aua!«, rief sie und verzog das Gesicht, denn das Brandmal an ihrem Arm tat weh. »Sieh doch, da drüben.« Septimus deutete mit dem Finger zum Himmel. »Das ... das gefällt mir nicht. Es ist zu groß für einen Vogel.«
Jenna rieb sich den Arm und blinzelte in das weite Blau, in die Richtung, in die Septimus zeigte. Weit entfernt, hoch über den Marram-Marschen, flog etwas großes Schwarzes, das Ähnlichkeit mit einem Vogel hatte. »Das könnte ein Marschdrache sein ...«, sagte sie unsicher.
Septimus schüttelte den Kopf. Er stand auf, um einen besseren Überblick zu bekommen, und beschirmte die Augen. Er sah blass und ernst aus.
»Was’n los?«, fragte Nicko und schlug müde die Augen auf. Jenna deutete wortlos zum Himmel.
Auch Wolfsjunge stand auf. »Merkwürdig ...«, murmelte er vor sich hin.
»Kannst du was erkennen?«, fragte Nicko besorgt. Er wusste, dass Wolfsjunge wahre Adleraugen hatte.
»Sieht aus wie eine große, schwere Fledermaus, nur ... Augenblick mal ... Mensch, ist die schnell ... das ist ... nein, das gibt’s doch nicht...«
»Was ist denn?«, fragte Septimus aufgeregt.
»Das ist ein Mensch. Irgendein Schwachkopf, der fliegen kann.«
»Bist du sicher, 409?«
»Ganz sicher, 412.«
»Aber das ist doch unmöglich«, sagte Jenna, der mulmig zumute wurde. »Niemand kann so fliegen. Ich meine, richtig, wie ein Vogel.«
»Früher hat man es gekonnt«, sagte Septimus leise. »Heißt es jedenfalls.«
Der schwarze Fleck wurde schnell größer, und bald bestand kein Zweifel mehr, wer der Mensch war, der da mit flatterndem schwarzem Umhang im Zickzack über die Marschen flog und das Land unter sich absuchte. Er näherte sich rasch dem Markierungszeichen, das Spürnase hinterlassen hatte.
»Das ist Simon!«, stieß Jenna hervor, die kaum glauben konnte, was sie sah.
»Wir müssen uns verstecken«, sagte Septimus. »Los, Jenna, in die Schilffelder, schnell!«
»Ich verstehe nicht, warum ihr euch alle so aufregt«, erklärte Nicko, ohne die nahende Gestalt aus den Augen zu lassen. »Wir sind zu viert, und Simon ist ganz allein – nur der alte Besserwisser Simon, unser Bruderherz. Schön, er hat fliegen gelernt, und wenn schon? Ich wette, Sep kann das auch. Habe ich Recht, Sep?«
»Nein, Nicko. Nicht so. Das da ist richtiges Fliegen.«
»Aber du kannst doch aufsteigen und landen, oder nicht, Sep? Das ist fliegen.«
»Nur ein paar Meter über dem Boden. So lerne ich in tausend Jahren nicht fliegen. Ich hätte nie gedacht, dass das jemand kann.«
Jenna war zu Donner geflüchtet und hielt sich an seinen Zügeln fest. Irgendwie fühlte sie sich hinter dem kräftigen, gleichmütigen Tier sicherer. Septimus trat zu ihr, entschlossen, sie diesmal zu beschützen. Aus einer Geheimtasche in seinem Lehrlingsgürtel zog er seinen kostbarsten Charm. Es war ein kleines Paar silberner Schwingen. Marcia hatte es ihm geschenkt, als sie ihn das erste Mal fragte, ob er ihr Lehrling werden wolle. Die Schwingen lagen in seiner rechten Hand und glitzerten in der Sonne. Auf das glänzende Silber waren in goldenen Lettern sechs Worte geschrieben: FLIEGE IN DIE FREIHEIT – MIT MIR.
Septimus versuchte, sich zu erinnern, was er an jenem Morgen neben dem Schlammloch des Boggarts getan hatte, als er den Charm zum ersten Mal in der Hand hielt und dieses magische Prickeln spürte. Es kam ihm so vor, als wäre es schon eine Ewigkeit her. Er wusste noch, dass er die Worte vor sich hin gemurmelt und sich dabei vorgestellt hatte, tatsächlich zu fliegen. Das war alles. Steckte wirklich nicht mehr dahinter?
»Siehst du? Ich wusste doch, dass du es kannst, Sep«, rief Nicko bewundernd, denn die Füße seines Bruders hoben ein paar Zentimeter vom Boden ab. Septimus sah nach unten und fiel mit einem leisen Plumps auf die Erde zurück.
Unterdessen hatte Jenna kein Auge von Simons dunkler Gestalt am Himmel gewendet. Er war jetzt so nahe, dass sie sein strohblondes Haar im Wind flattern sah, als er auf das Schilffeld
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