Septimus Heap 02 - Flyte
Der Quälgeist hustete und nieste kurz, dann wurde er so rasend schnell, dass er wie ein blauer Strich die Tür rauf und runter sauste, Riegel zurückschob, Schlösser aufsperrte, Ketten löste, und die ganze Zeit über jammerte das Schloss herzerweichend: »Ooh-ooh-ooh Hilfe ... Ooh-ooh-ooh Hilfe ... Ooh-ooh-ooh Hilfe ...«
Sie hörten die Hexen unten in der Küche, doch im selben Moment flog die Tür auf und klatschte den Quälgeist an die Wand. Blitzschnell waren sie draußen und rannten die Seilerbahn entlang. Sie wagten kaum, sich umzublicken und nachzusehen, ob eine Horde Hexen sie verfolgte.
Hinter ihnen, im Haus des Porter Hexenzirkels, erlag just in diesem Augenblick der Fußboden in der Diele den jahrelangen Fressattacken von Daphnes riesiger Holzwurmkolonie und sackte mitsamt allen Hexen in den Keller – wo der Inhalt eines lecken Abflussrohrs, der sich dort angesammelt hatte, ihren Sturz milderte.
* 28 *
28. Der Dammweg
J e nna, Septimus, Nicko, Wolfsjunge und Stanley nahmen den Dammweg, der aus Port heraus in Richtung Marram-Marschen führte. Jenna ging voraus, Donner trottete hinter ihr her. Er schüttelte seine Mähne und schnaubte in der kühlen Morgenluft, froh, dass er nicht mehr in dem stinkenden Stall hinter dem Puppenhaus stand, in dem er die Nacht verbracht hatte.
Jenna hatte darauf bestanden, noch einmal zurückzugehen und ihn zu holen. Sie hatte befürchtet, dass Schwester Meredith versucht sein könnte, das Pferd an den Fleischpastetenladen unten am Hafen zu verkaufen. Also war sie, als sie das Ende der Seilerbahn erreicht hatten und noch immer keine Hexe aus dem Haus aufgetaucht war, auf dem schmalen Pfad hinter den Häusern zum Stall geschlichen und hatte Donner geholt.
Der Dammweg verlief auf der Hügelkette, die an die Wiesen am Stadtrand von Port grenzte. Als sie durch den Morgendunst gingen, sah Jenna das verblichene Zirkuszelt und sie konnte das Gras riechen, das die Zuschauer am Vorabend zertrampelt hatten. Es war ein beschaulicher, friedlicher Anblick, aber Jenna war nervös. Die Brandwunde am Arm schmerzte und erinnerte sie unablässig daran, dass sie jetzt für Simon markiert war. Bei jedem Geräusch zuckte sie zusammen. So auch jetzt, als sie ein merkwürdiges Rasseln vernahm und aus dem Augenwinkel ein kleines schwarzes Ding auf sich zufliegen sah. In panischer Angst klammerte sie sich an Septimus.
»Au!«, rief Septimus. »Was soll das, Jenna? Was ist denn?« Jenna ging hinter ihm in Deckung. Das Ding flog direkt auf sie zu.
»Iiih ... geh weg! Geh weg!«, schrie sie und fegte verzweifelt ein großes Insekt von ihrer Schulter.
Die Jungen knieten sich hin und beguckten sich den Käfer, der auf dem Rücken im Staub lag, mit den Beinen strampelte und ein schwaches Summen von sich gab.
»Und ich dachte, er sei tot«, sagte Septimus und stupste den Käfer mit dem Finger.
»Wie er wohl hierher kommt?«, wunderte sich Nicko und schüttelte den Kopf.
Wolfsjunge betrachtete den Käfer abschätzig. Besonders genießbar sah er nicht aus. Viel zu hart, und zu scharfe Kanten. Und wahrscheinlich hatte er auch noch einen tückischen Stachel.
Jenna spähte ihnen über die Schultern. »Was ist es?«, fragte sie.
»Dein Panzerkäfer«, antwortete Septimus.
»Nein!« Jenna sank auf die Knie, hob den Käfer ganz behutsam auf und bettete ihn in ihre Hand. Sie wischte ihm, so gut es ging, den Staub ab, und Augenblicke später beobachtete ein fasziniertes Publikum, wie der Käfer aufstand und sich, noch etwas wacklig auf den Beinen, die Flügel putzte, brummte und an sich herumfuhrwerkte, um alles wieder in Ordnung zu bringen. Und dann, ganz plötzlich, schlug er triumphierend mit den Flügeln gegen seinen gepanzerten grünen Rumpf, schraubte sich in die Luft und landete auf seinem rechtmäßigen Platz, nämlich auf Jennas Schulter – so wie er es über ein Jahr zuvor schon getan hatte, als er in Tante Zeldas Hütte erschaffen worden war. Jenna schöpfte wieder Mut. Jetzt hatte sie etwas, womit sie sich verteidigen konnte, wenn Simon sie holen wollte.
Das große Pferd, auf dessen Sattel eine Ratte saß, und die vier Gestalten neben ihm folgten dem Dammweg in einem gemächlichen, aber gleichmäßigen Tempo. Sie hatten die Wiesen, die Port umgaben, hinter sich gelassen und die Schilffelder erreicht, die den Bewohnern der Stadt den Rohstoff für Hausdächer, Körbe, Fußbodenbeläge und viele andere nützliche Dinge lieferten. Als die Morgensonne höher stieg, lösten sich die
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