Septimus Heap 04 - Queste
die Gewölbe führen.«
Die anderen Schreiber warfen sich mit hochgezogenen Augenbrauen Blicke zu. Schon das zweite Mal innerhalb einer Woche, dass die Außergewöhnliche Zauberin den Gewölben einen Besuch abstatten wollte – was ging da vor?
Das laute Rascheln von Seide veranlasste die Schreiber, sich wieder über ihre Arbeit zu beugen. Jillie Djinn erschien geschäftig aus dem Gang, der in die Hermetische Kammer führte. »Ja?«, fragte sie gebieterisch.
Marcia sah sie ärgerlich an. Die Umgangsformen dieser Frau, ohnehin noch nie die besten, ließen zunehmend zu wünschen übrig. »Wir möchten in die Gewölbe geführt werden«, wiederholte sie.
»Das kommt im Moment sehr ungelegen«, erwiderte Jillie Djinn und musterte Marcellus Pye misstrauisch. »Meine Schreiber sind alle beschäftigt.«
»Ich könnte mitgehen!«, sagte Partridge.
Jillie Djinn funkelte ihn an. »Unterstehen Sie sich! Sie machen Ihre Berechnungen fertig.«
Partridge seufzte laut und kehrte an sein Pult zurück.
»Wenn Sie möchten, können Sie sich von meinem neuen Empfangsmitarbeiter einen Termin geben lassen«, sagte Jillie Djinn. »Irgendwann nächste Woche könnte ich Sie eventuell einschieben.«
»Ihrem neuen Empfangsmitarbeiter?«, fragte Marcia. »Was ist mit Beetle?«
»Er ist nicht mehr bei uns beschäftigt.«
»Was? Wieso nicht?«
»Seine Dienstauffassung war nicht zufriedenstellend«, antwortete Jillie Djinn. »Wenn ich Sie jetzt hinausbegleiten darf.«
Sprachlos und stotternd vor Wut wurde Marcia mit Marcellus hinausgeführt. Wenn die Obergeheimschreiberin den Zutritt zu den Gewölben verwehrte, waren Marcia die Hände gebunden. In ihrem kleinen Zuständigkeitsbereich besaß Jillie Djinn so viel Macht wie die Außergewöhnliche Zauberin im Zaubererturm. Und Jillie Djinn wusste das.
Jillie Djinn schloss die Tür fest hinter ihnen und wandte sich an ihren neuen Schützling. »Wenn die glaubt, dass ich jemanden in einer Alchimistenrobe in die Gewölbe lasse, dann ist sie schief gewickelt.«
Merrin nickte verständig, als hätte er genau begriffen, was sie meinte, und an ihrer Stelle genau dasselbe getan. Dann lehnte er sich zurück, legte die Füße auf den Tisch und versuchte, sich eine ganze Lakritzschlange auf einmal in den Mund zu schieben.
Marcellus Pyes Bedarf an Aufregung – und an Marcia Overstrands Gesellschaft – war für heute gedeckt. Mehr konnte er nicht verkraften. Nachdem er ihr jede mögliche Hilfe bei der Suche nach Septimus angeboten hatte, verabschiedete er sich höflich. Marcia ließ ihn gehen. Sie sah ihm an, dass er Gesellschaft nicht gewohnt war und Ruhe brauchte. Sie blickte ihm nach, wie er die Zaubererallee hinunterging und mit seinen Schuhen belustigte Blicke von Passanten auf sich zog. Marcellus mochte alles in seiner Macht Stehende getan haben, aber sie dachte gar nicht daran, die Suche nach Septimus aufzugeben. Sie hatte noch einen Trumpf im Ärmel – im wörtlichen Sinn.
Marcia praktizierte Magie nicht gern in der Öffentlichkeit. In ihren Augen war das Aufschneiderei, und sie hatte es nicht gern, wenn die Leute stehen blieben und gafften. Aber manchmal musste es eben sein. Und so kam es, dass diejenigen, die sich gerade erst vom Anblick Marcellus Pyes und seiner Schuhe erholt hatten, gleich in den Genuss des nächsten Spektakels kamen, als ihre Außergewöhnliche Zauberin mitten auf der Zaubererallee einen Suchzauber durchführte. Sie blieben stehen und glotzten mit offenem Mund, als Marcia, die völlig reglos dastand und etwas vor sich hin murmelte, von einem magischen lila Nebel umhüllt wurde und ganz langsam zu verschwinden begann. Ein kleines Mädchen lief unerschrocken zu ihr hin, um sie zu stupsen und festzustellen, ob sie echt war, doch als es bei ihr anlangte, war nur noch ein lila schimmernder Schatten von Marcia übrig. Das Mädchen brach in Tränen aus, und ihre Mutter stapfte empört zum Zaubererturm, um sich zu beschweren.
Simon Heap wartete mit Lucy auf das Fährboot, als neben ihm ein lila schimmernder Nebel erschien. Lucy schrie auf. Und als Simon erkannte, was der Nebel war, hätte er ebenfalls am liebsten geschrien. »Ich ... ich bin so gut wie weg, ehrlich«, stammelte er. »Ich musste mich noch von meiner Mutter verabschieden und Lucy holen, und dann haben wir knapp das Fährboot verpasst und ...«
»Bitte werfen Sie ihn nicht ins Gefängnis«, flehte Lucy. »Bitte. Ich werde alles tun. Ich bringe ihn fort und sorge dafür, dass er nie wiederkommt. Oh, bitte,
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