Septimus Heap 04 - Queste
erdenklichen Größen und Formen, die überhaupt nicht zusammenpassten. »Keine Sorge, junge Dame«, fuhr er fort, »wie ich sehe, besitzt ihr jungen Leute noch eure eigenen Zähne, und von denen habe ich nichts. Ich bin ein redlicher Mann. Ich verlange von den Leuten nichts, was sie mir nicht geben können.« Er schüttelte wie belustigt den Kopf. »Aber es überrascht mich doch immer wieder aufs Neue, was die Leute geben können, wenn sie müssen.« Er fuhr mit einer langen, blassen Zunge über seine ungleichen Zähne und grinste wieder.
»Und?«, fragte Jenna. »Was kostet die Überquerung der Brücke?«
»Wie gerne würdet ihr denn hinübergehen?«, fragte der Mautner.
Keiner antwortete, denn hinübergehen wollte eigentlich keiner. Nur auf der anderen Seite sein wollten sie.
»Also, wollt ihr nun hinüber, oder wollt ihr sie euch nur ansehen?«, fragte der Mautner gereizt. »Auch ansehen kostet etwas. Das kann ich nicht haben, wenn den ganzen Tag Leute hier herumlaufen und bloß gaffen.«
»Wir wollen hinüber«, sagte Jenna entschieden. »Wie viel verlangen Sie?«
Der Mautner musterte sie von oben bis unten. »Nun, junge Dame. Das ist ein schöner Goldreif, den du da auf deinem hübschen Köpfchen trägst. Den nehme ich.«
Jennas Hände flogen zu dem Diadem, das schon ihre Mutter, die Königin, als Mädchen getragen hatte. »Den können Sie nicht haben!«, stieß sie hervor.
Der Mautner zuckte mit den Schultern. »Dann darfst du nicht hinüber.«
Schweren Herzens fasste Jenna nach oben, um den Goldreif abzunehmen. Es war ja nur ein Schmuckstück. Nicko war mehr wert als Gold. Viel mehr. Doch der Mautner hatte sich schon von ihr abgewandt. Er beäugte jetzt Beetle. »Von dir, Junge, möchte ich die Uhr«, sagte er.
Beetle blickte entsetzt. »Woher wissen Sie, dass ich eine Uhr habe?«, fragte er.
Der Mann stutzte, für einen Augenblick aus der Fassung gebracht. »Ich höre sie ticken. Ich habe ein feines Gehör für Uhren.«
Beetle runzelte die Stirn. Er warf Septimus einen fragenden Blick zu, und der antwortete mit einem leichten Nicken. »Und du, Junge«, fuhr der Mann, an Septimus gerichtet, fort, »hast einen schönen silbernen Gürtel, mit ein paar Goldstücken daran. Der wird mir genügen. Den wertlosen Krimskrams darin nehme ich auch.« Der Mann zeigte ihnen sein strahlend goldenes Grinsen. »Ihr seht, ich bin ein redlicher Mann. Ich verlange nichts, was ihr nicht habt.« Damit zog er einen großen Samtbeutel aus der Tasche, der an einem zusammenklappbaren Holzring hing. Mit einer geübten Bewegung aus dem Handgelenk klappte er den Ring auseinander, und der Beutel baumelte daran wie eine leere Socke. Wie der Affe des Leierkastenmanns hielt er Septimus den Beutel hin. »Du zuerst, Junge. Tu den Gürtel hier rein.«
Ganz langsam schnallte Septimus seinen Lehrlingsgürtel ab. Der Mautner beobachtete ihn scharf mit gierigen Augen und leckte sich in Vorfreude schon wieder die Zähne. »Beeilung, Junge. In dem Tempo kommst du nicht hinüber, solange es noch hell ist.« Septimus fummelte ungeschickt an dem letzten Teil der Schnalle herum, teils weil ihm seine klammen Finger nicht recht gehorchten, hauptsächlich aber weil er Zeit zum Nachdenken brauchte. Ein anderer Spruch aus der Jungarmee ging ihm im Kopf herum: Willst du im Kampf den Sieg erringen, musst ihn zur rechten Zeit beginnen. Zur rechten Zeit beginnen, dachte er und biss die Zähne zusammen, zur rechten Zeit!
Mit einem Klicken ging die Schnalle endlich auf, und der Mautner beugte sich mit seinem Sammelbeutel vor. In diesem Augenblick warf sich Septimus auf den Mann und riss ihn um. Der Mautner fiel rücklings in einen Schneehaufen. Bevor er dazu kam, Septimus wegzustoßen, stürzte Beetle hinzu, und mit Entsetzen sah Jenna, wie die drei am Boden miteinander rangen und einem großen Schneeball gleich auf den Rand des Abgrunds zurollten.
Der Mautner war nicht groß, aber er war stark, und ohne Beetles Hilfe – und seine Bereitschaft, ein paar herzhafte Faustschläge zu landen – wäre Septimus hoffnungslos unterlegen gewesen. Zu Jennas Erleichterung kam der Schneeball kurz vor dem Abgrund zum Liegen. Septimus und Beetle befanden sich oben, der Mautner unten. »Stoß ihn runter, Sep«, rief Beetle. »Mach schon!«
»Nein!«, schrie Jenna, von Grauen gepackt bei dem Gedanken, dass sie jemanden in den Tod stürzten. »Nein! Das könnt ihr nicht tun. Das könnt ihr nicht!«
Es schien, als sollte sie recht behalten. Als hätte ihm Jennas
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