Septimus Heap 04 - Queste
um und betrachtete die Dinge, die er liebte: die hohen Papier- und Bücherstapel im Schaufenster, seinen Schreibtisch, seinen Drehstuhl, das Wurstbrot, das Foxy ihm am Morgen gekauft und das er nur angebissen und dann vergessen hatte, und sogar die Tür zum Magazin für wilde Bücher. All diese Gegenstände betrachtete er in der Gewissheit, dass er sie nie wieder mit denselben Augen sehen würde. Selbst wenn er jemals wieder einen Fuß ins Manuskriptorium setzte sollte, was er bezweifelte, würden sie nicht mehr dieselben sein. Sie würden einem anderen gehören. Ein anderer würde an seinem Schreibtisch sitzen und Foxys Wurstbrote essen.
»Willst du etwas mitnehmen?«, fragte Jenna.
Er schüttelte den Kopf.
Jenna blickte zu seinem Schreibtisch, den er bei Dienstschluss aufgeräumt hatte. Sein Dienstfederhalter steckte zusammen mit anderen, schlichteren Schreibgeräten im Stifteköcher. »Ich hole deinen Federhalter. Den wirst du doch nicht hierlassen wollen.«
Aber Beetle wollte nichts mitnehmen, was für ihn mit Erinnerungen verknüpft war. »Foxy«, krächzte er. »Gib ihn Foxy.«
»In Ordnung.«
Jenna schrieb rasch eine kurze Nachricht für Foxy und band sie mit Zauberverpackungsschnur an Beetles Federhalter–ein schönes schwarzes Schreibgerät aus Onyx mit einer kunstvollen jadegrünen Einlegearbeit, deren komplizierte Schnörkel bei genauerem Hinsehen Beetles Namen ergaben. Jenna legte den Federhalter auf den Schreibtisch in der Hoffnung, dass Foxy seinen Namen auf der Nachricht las, den sie in ihrer großen, geschwungenen Handschrift, die, wie ihr Aufsatzlehrer bemängelte, von Tag zu Tag ausladender wurde, daraufgeschrieben hatte.
Sie fasste Beetle sanft am Arm und schob ihn zur Tür. Sie drückte fest die Klinke, und mit einem Pi-ing flog die Tür auf. Draußen heulte der Wind, und kalter Regen klatschte gegen die Schaufensterscheiben. Es war ein bedrückend dunkler Abend, und daran änderten auch die Fackeln, von denen einige der Wind ausgeblasen hatte, wenig. Laub und Unrat wehten ins Manuskriptorium und wirbelten um ihre Füße. Beetle blieb reglos in der Tür stehen, bis Jenna sich bei ihm unterhakte und ihn mit nach draußen zog.
Mit einem lauten Knall schlug die Tür hinter ihnen zu.
* 23 *
23. Die Projektion
D i e Fackeln auf den letzten beiden silbernen Pfählen ganz am Ende der Zaubererallee trotzten dem Wind, und ihre Flammen flatterten wie nasse Lappen in einem Sturm.
»Los, Beetle, du musst dich dagegen wehren!«, schrie Jenna gegen das Heulen des Windes an, als sie sich dem Großen Bogen näherten. »Sie kann dich nicht einfach so vor die Tür setzen. Du wirst sehen, wenn Marcia davon erfährt, steht Jillie Djinn auf verlorenem Posten.«
Beetle hatte nicht die Kraft zu antworten. Während Jenna ihn durch den Bogen auf den Hof bugsierte, musste er die ganze Zeit daran denken, wie er die Neuigkeit seiner Mutter beibringen sollte, die jedem, der es hören wollte, erzählte, dass sie in ihrem ganzen Leben nie so stolz gewesen sei wie an jenem Tag, an dem ihr Sohn die Aufnahmeprüfung zum Manuskriptorium bestanden habe. Doch worüber seine Mutter nie sprach: Von seinem Lohn – eine halbe Silberkrone in der Woche – bezahlten sie die Miete für ihre kleinen Zimmer in den Anwanden, von seinem Lohn konnten sie sich regelmäßig Kartoffeln und Fisch kaufen.
Der Hof des Zaubererturms war vor dem Wind geschützt, und die Fackeln, die in Halterungen entlang den Mauern steckten, brannten gleichmäßig und hell. Jenna fiel auf, dass der Hof ungewöhnlich sauber war – frei von unliebsamen Überraschungen, und man hatte gar kein glitschiges Gefühl mehr unter den Füßen. Als sie mit Beetle auf die große Marmortreppe zusteuerte, die in den Turm führte, erschien, mit einer Schaufel und einem riesigen Eimer bewaffnet, der Grund für die plötzliche Sauberkeit.
»Hildegard!«, rief Jenna überrascht. »Was tun Sie denn hier? Ich dachte, Sie hätten ein paar Tage freigenommen.«
Hildegard blieb stehen, fuhr sich mit einer schmutzigen Hand über die Stirn und lehnte sich erschöpft auf die Schaufel. »Schön wär’s«, antwortete sie.
Ihre blaue Robe einer Unterzauberin war pitschnass und mit Schlamm – oder Schlimmerem – bespritzt, und ihr Haar war strubbelig und zerzaust. »Ich nehme an«, sagte Jenna mitfühlend, »das ist nicht ganz der Posten, den Sie sich im Zaubererturm gewünscht haben.«
»Gewiss nicht«, erwiderte Hildegard und setzte, als ihr bewusst wurde, dass ihre
Weitere Kostenlose Bücher