Septimus Heap 05 - Syren
deutete auf den kleineren, aber ebenso bequemen grünen Stuhl auf der anderen Seite des Tisches. »Ich hoffe, du hast gut geschlafen?«
Septimus nahm Platz. »Ja, danke«, antwortete er, etwas argwöhnisch. Warum war Marcia so nett?
»Du hast eine schwere Woche hinter dir, Septimus«, begann Marcia. »Nun ja, das haben wir alle. Es ist sehr schön, dich wieder hier zu haben. Hier ist etwas für dich.« Sie öffnete eine kleine Schublade, entnahm ihr zwei lila Bänder aus Seide und legte sie auf den Tisch.
Septimus wusste, was das für Bänder waren – die lila Streifen eines Oberlehrlings, die er, wenn seine Lehre gut verlief, im letzten Jahr bekam und tragen durfte. Es war nett von Marcia, ihn wissen zu lassen, dass sie ihn zu gegebener Zeit zum Oberlehrling befördern würde. Aber bis zum letzten Lehrjahr war es noch lange hin, und er wusste nur zu gut, dass bis dahin noch allerhand schiefgehen konnte.
»Weißt du, was das ist?«, fragte Marcia.
Septimus nickte.
»Schön. Sie gehören dir. Ich ernenne dich hiermit zum Oberlehrling.«
»Wie? Jetzt?«
Marcia grinste breit. »Ja, jetzt.«
»Jetzt? Also heute?«
»Ja, Septimus, heute. Ich will hoffen, dass deine Ärmelenden noch sauber sind. Du hast sie beim Frühstück doch nicht mit Ei bekleckert?«
Septimus inspizierte seine Ärmel. »Nein, sie sind sauber.«
Marcia stand auf, und Septimus folgte ihrem Beispiel – ein Lehrling darf nie sitzen, wenn der Meister steht. Marcia nahm die Bänder vom Tisch und legte sie auf die Säume seiner hellgrünen Ärmel. Ein leichter Knall ertönte, eine lila Wolke aus magischem Nebel stieg auf, und die Bänder schlangen sich um die Ärmel und verschmolzen mit der Jacke. Septimus betrachtete sie verblüfft. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Marcia schon.
»Ich muss dich jetzt ein wenig über die Rechte und Pflichten eines Oberlehrlings aufklären, Septimus. Du darfst fünfzig Prozent deiner Projekte wie auch deines Stundenplans selbst bestimmen – mit Sinn und Verstand selbstverständlich. Es kann vorkommen, dass du gebeten wirst, mich bei den Versammlungen auf der unteren Ebene im Zaubererturm zu vertreten – wofür ich dir im Übrigen sehr dankbar wäre. Als Oberlehrling kannst du kommen und gehen, ohne um Erlaubnis zu fragen, allerdings gilt es als höflich, wenn du mir Bescheid gibst, wohin du gehst und wann du wiederzukommen gedenkst. Da du aber noch so jung bist, bestehe ich darauf, dass du an den Wochentagen bis spätestens neun Uhr abends und bei besonderen Anlässen bis spätestens Mitternacht zurück bist, verstanden?«
Septimus, der noch immer die lila Streifen bestaunte, die magisch an seinen Ärmeln schimmerten, nickte. »Verstanden ... glaube ich ... aber warum ... ?«
»Weil du der einzige Lehrling bist, der jemals von der Queste zurückgekehrt ist«, antwortete Marcia. »Und du bist nicht nur wohlbehalten zurückgekehrt, sondern hast deine Aufgabe auch erfolgreich gemeistert. Und was noch unglaublicher ist: Du bist auf diese ... diese schreckliche Reise geschickt worden, bevor du die Hälfte deiner Lehre hinter dir hattest, und trotzdem hast du es geschafft. Du hast deine magischen Fähigkeiten besser zu nutzen gewusst, als es viele Zauberer in diesem Turm jemals erhoffen können. Aus diesem Grund bist du jetzt Oberlehrling. Einverstanden?«
»Einverstanden.« Septimus lächelte. »Aber ...«
»Was aber?«
»Ohne Jenna und Beetle hätte ich die Queste nicht bestanden. Und sie sitzen noch in diesem stinkigen kleinen Fischerschuppen am Handelsposten. Und Nicko und Snorri auch. Wir haben versprochen, unverzüglich wiederzukommen und sie zu holen.«
»Das werden wir auch«, erwiderte Marcia. »Sie erwarten bestimmt nicht, dass wir sofort umkehren und zurückfliegen, Septimus. Außerdem hatte ich noch gar keine Zeit, seit wir zurück sind. Heute Morgen bin ich früh aufgestanden und habe bei Zelda etwas von diesem scheußlichen Heiltrank für Ephaniah und Hildegard geholt – die beiden sind immer noch sehr krank. Und heute Nacht muss ich noch bei Ephaniah wachen, aber gleich morgen früh fliege ich mit Feuerspei los und hole die anderen. Sie sind bald wieder hier, das verspreche ich dir.«
Septimus betrachtete seine lila Streifen, die wunderbar magisch schillerten, wie Öl auf Wasser. Er erinnerte sich an Marcias Worte: »Als Oberlehrling kannst du kommen und gehen, ohne um Erlaubnis fragen, allerdings gilt es als höflich, wenn du mir Bescheid gibst, wohin du gehst und wann du wiederzukommen
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