Septimus Heap 06 - Darke
und ließen den Drachen herankommen. Und als er ihnen so nahe war, dass sie die kleinen schwarzen Pupillen in allen sechs roten Augen sehen konnten (aber nicht die des Piloten, denn der hatte seine zugekniffen), flitzten sie in den toten Zehn-Grad-Winkel hinter dem Schwanz des Monstrums, dann wie ein Pfeil unter dem weißen Bauch hindurch und schließlich wieder hinauf, direkt vor den kastenförmigen Kopf – der noch nach oben blickte und sich verwundert fragte, wo die beiden wohl geblieben waren. Sie waren fort. Und dann verpassten sie ihm mit ihrem Schwanzstachel einen Hieb auf die Nase. Zack. Drachennasen sind hochempfindlich, und ein schmerzerfülltes Brüllen ertönte hinter ihnen, als Septimus und Feuerspei wieder außer Reichweite flogen.
»Das werdet ihr mir büßen!«, hörten sie Merrin schreien, als sie den Gegner in sicherem Abstand umkreisten.
»Das hättest du wohl gern!«, rief Septimus zurück.
Und so reizten sie den Dunkeldrachen und seinen Piloten: Sie tauchten hinab, flogen um ihn herum, verschwanden außer Sicht, nur um gleich darauf aus der genau entgegengesetzten Richtung, in die der Drache blickte, wieder aufzutauchen. Sie versetzten ihm empfindliche Hiebe mit dem Schwanz. Sie rammten ihm den Nasenstachel in den Bauch. Ja, es gelang ihnen sogar, mit Feuerspeis leerem Feuermagen einen Feuerstoß zu erzeugen und die Spitzen eines zweiten Flügelpaars zu versengen. Der Dunkeldrache reagierte auf jeden Angriff – nur fünf Sekunden zu spät. Oft wehrte er noch die letzte Attacke ab, als schon die nächste kam, und bald brüllte das Ungeheuer vor Wut und Enttäuschung, und sein Pilot wimmerte vor Angst.
Nach einigen Minuten flogen sie, aufgeregt und atemlos, durch den schwarzen Nebel nach oben, um sich kurz zu beraten. Direkt über der Kuppe des Dunkelfelds schwebend und vom Wind umtost, atmeten Septimus und Feuerspei die klare, vom Nebel nicht verpestete Nachtluft ein. Über ihnen funkelten Sterne, und unter ihnen wogten die Nebelranken wie Seegras in einer Meeresströmung. Überschwängliche Freude erfüllte sie.
Doch weit unten lauerte noch immer der Dunkeldrache. Es wurde Zeit, dass sie das Monster aus seinem Dunkelreich vertrieben. Sie vermuteten, dass es mittlerweile so wild darauf war, sie in seine Klauen zu bekommen, dass es ihnen überallhin folgen würde. Sie nahmen noch einen tiefen Atemzug in der klaren Luft, dann rauschten sie wieder hinab, direkt auf die sechs roten Augen ihres Opfers zu, die im Nebel leuchteten wie glühende Kohlen.
Darauf achtend, dass der Dunkeldrache sie jederzeit im Blickfeld hatte, trieben sie nun ein Katz-und-Maus-Spiel mit ihm und seinem Piloten. Immer wieder flogen sie so dicht an ihn heran, dass er mit seinen Säbelkrallen nach ihnen hieb, aber nie so nahe, dass er sie tatsächlich erreichen konnte. Ein- oder zweimal kamen ihnen die Krallen gefährlich nahe, und sie spürten, wie der Luftzug Septimus das Haar zerzauste, als sie an ihrem Kopf vorbeiwischten. Und so lockten sie den Dunkeldrachen, indem sie ihn reizten und foppten, seine Hiebe parierten und ihn mit Finten täuschten wie ein geschickter Fechter, immer weiter nach oben, ohne dass der wimmernde Merrin etwas dagegen unternahm.
Wie eine Kugel schössen sie aus dem schwarzen Nebel hinaus. Und der Dunkeldrache schoss hinterher, nur Augen für den Widerhaken von Feuerspeis Schwanz, der so verlockend nahe war, keine Flügelbreite vom Nasenstachel des Dunkeldrachen entfernt.
Der Drache prallte gegen die kalte, klare Luft wie gegen eine Wand. Verdutzt verharrte er im Flug. Zum ersten Mal in seinem kurzen, boshaften Leben war er ohne die Sicherheit der schwarzen Magie. Unter ihm war nichts als der kalte dunkle Fluss. Sein Pilot riss die Augen auf, blickte nach unten und schrie.
Der Dunkeldrache spürte, wie ihm die Kräfte schwanden. Er warf den Kopf zurück und brüllte vor Verzweiflung. Hier, wo die dämpfende Wirkung des Dunkelfelds fehlte, war das Brüllen besonders laut und furchterregend. Es donnerte über das Land und erschreckte die Menschen im Umkreis von Meilen so sehr, dass sie unter ihren Betten in Deckung gingen. Weit unten, in Sally Mullins Tee- und Bierstube, sahen Sarah Heap und Sally Mullin entsetzt in die Nacht hinaus.
»Oh, Sally«, flüsterte Sarah. »Das ist ja furchtbar!«
Sally legte ihr den Arm um die Schultern. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
Draußen, auf dem Ponton, an dem die unlängst zurückgekehrte Annie festgemacht war, ging Simon Heap mit Marcellus Pye
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