Septimus Heap 06 - Darke
und landete auf den breiten Steinen des Neuen Kais. Septimus spürte, dass er von der Strömung an Sally Mullins Ponton vorbeigetrieben wurde, und versuchte erst gar nicht, dagegen anzukämpfen. Stattdessen schwamm er, Merrin wie einen schweren Sack in den Armen, in einer schrägen Linie auf das Ufer zu.
Simon sah besorgt zu. Er musste daran denken, dass er vor nicht allzu langer Zeit noch mit Freuden zugeschaut hätte, wie sich sein jüngster Bruder in dem eisigen Wasser abstrampelte, und er schämte sich dafür. Er sah, wo die Strömung Septimus und seine Last hintrieb, und so rannte er los zu der Stelle, wo er voraussichtlich an Land gehen würde, nämlich zum Neuen Kai, auf dem Feuerspei soeben gelandet war. Während er noch den Weg entlangrannte, hörte er vom Fluss her einen Schrei und gleich darauf ein lautes Platschen. Am Kai angekommen, sah er, dass Septimus ein paar Meter vom Ufer entfernt mit Merrin kämpfte – genau in der Entfernung, die Merrin im Hunde-Paddelstil zurücklegen konnte.
Merrin schien sich auf wundersame Weise erholt zu haben und war gerade dabei, Septimus unter Wasser zu drücken. Septimus wehrte sich, aber das feine Gewebe seines Dunkelschleiers war zerrissen und den Kräften des doppelgesichtigen Rings nicht gewachsen, die sich bei einem Mordversuch verzehnfachten. Als Merrin den prustenden und um sich schlagenden Septimus erneut unter Wasser drückte, stürzte sich Simon kopfüber in die Fluten.
Da die Kräfte des doppelgesichtigen Rings – und Merrin selbst – voll damit beschäftigt waren, Septimus zu ertränken, hatte Simons altmodischer Faustschlag gegen Merrins Kopf die gewünschte Wirkung. Merrin ließ Septimus los, nahm einen Riesenschluck Wasser und ging langsam unter. Septimus sah fassungslos seinen Retter an.
»Alles in Ordnung?«, fragte Simon.
Septimus nickte keuchend. »Ja. Danke, Simon.«
Mit einem Gurgeln verschwand Merrin unter der Oberfläche.
»Ich hole ihn!«, rief Simon, der von dem eisigen Wasser schon ganz blaue Lippen hatte. »Schwimm du zur Treppe.«
Aber Septimus traute Merrin nicht. Er schwamm neben Simon her, als dieser Merrin zum Ufer schleppte, und als sie am Neuen Kai ankamen, half er ihm, Merrin aus dem Wasser und die Treppe hinaufzuziehen. Sie legten ihn mit dem Gesicht nach unten auf die Steine wie einen toten Fisch.
»Wir müssen das Wasser aus ihm herauspumpen«, sagte Simon. »Ich habe in Port gesehen, wie man das macht.« Er kniete sich neben Merrin hin, drehte ihn um und legte ihm die Hände auf den Brustkorb. Rhythmisch begann er zu drücken. Merrin hustete schwach. Dann hustete er noch einmal, prustete und würgte plötzlich einen Riesenschwall Flusswasser aus. Dabei fiel etwas klirrend auf die Steine, und als Septimus hinsah, lag da eine kleine silberne Scheibe mit einem Loch in der Mitte. Er versuchte, nicht daran zu denken, wo sie gerade herkam, und hob sie auf. Sie lag schwer in seiner Hand und glitzerte im Schein der einzigen Fackel, die am Kai brannte.
»Es muss wehgetan haben, die zu schlucken«, sagte er staunend.
Doch Simon war nicht überrascht. Als Merrin im Observatorium sein Gehilfe gewesen war, hatte er alle möglichen Gegenstände aus Metall verschluckt. Aber an diese Zeit in seinem Leben wollte Simon nicht erinnert werden – geschweige denn Septimus daran erinnern. Also schwieg er.
Merrin regte sich. »Gib sie zurück«, stöhnte er schwach. »Sie gehört mir.«
Septimus und Simon hörten nicht hin.
Simon betrachtete die Scheibe in der Hand seines Bruders. »Das sind die paarigen Geheimformeln!«, sagte er aufgeregt. »Wir müssen sie sofort zu Marcia bringen.«
Septimus missfiel das »Wir«. »Das übernehme ich«, sagte er und verstaute die Scheibe in seinem Lehrlingsgürtel.
»Aber ich weiß, wie man sie anwendet«, protestierte Simon.
»Das weiß Marcia auch«, erwiderte Septimus geringschätzig.
»Wie denn? Sie hat doch keine Ahnung, wo sie anfangen soll.« Simon klang verzweifelt.
Hastige Schritte unterbrachen den Streit. Sarah, Sally und Marcellus kamen zum Neuen Kai gelaufen. Septimus, der jetzt nicht in einen Wiedersehenstaumel hineingezogen werden wollte, winkte ihnen kurz zu und rannte zu Feuerspei, der mit einem triumphierenden Blick auf dem Kai hockte. Er hatte seinen ersten Zweikampf gewonnen. Er war jetzt ein vollwertiger, erwachsener Drache.
Sekunden später waren Feuerspei und sein Pilot wieder in der Luft. Tropfen von Drachenblut markierten ihre Flugroute zum Zaubererturm.
Sprachlos vor
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