Septimus Heap - Fyre
bitten, dass mein Lehrling Septimus seinen Praktikumsmonat bei mir baldmöglichst antritt, sobald es Ihnen genehm ist.
Ihr ergebener Marcellus
Marcia las den Brief beim Frühstück, während sie ihre zweite Tasse Kaffee trank. Sie reichte ihn Septimus, der gerade seinen letzten Löffel Haferbrei aß. »Na«, sagte sie, »wie wäre es, wenn du heute bei Marcellus anfängst?«
Septimus freute sich schon länger auf die Abwechslung vom täglichen Einerlei. Er absolvierte zurzeit seinen Fortgeschrittenenkurs in analytischem Entschlüsseln und fand ihn sehr langweilig. »Warum eigentlich nicht«, antwortete er, denn er wollte nicht den Eindruck erwecken, er wäre allzu sehr darauf erpicht, und Marcias Gefühle verletzen.
»Dann geh packen«, sagte Marcia schnell.
»Alles klar.«
Marcia sah zu, wie Septimus vom Stuhl aufsprang und aus der Küche flitzte. Sie selbst freute sich nicht auf die nächsten vier Wochen ohne ihn.
Oben in seinem Zimmer hatte Septimus Mühe, seinen Rucksack zu schließen, so prall gefüllt war er.
»Zahnbürste?«
Er schaute auf. Marcia steckte den Kopf zur Tür herein. »Ja«, knurrte er. »Und meinen Kamm. Wie Sie gesagt haben.«
Marcias Blick wanderte durch das Zimmer. Es war nicht groß –Lehrlingszimmer im Zaubererturm waren nie groß –, aber ordentlich aufgeräumt und zweckmäßig eingerichtet, wie sie mit Freuden sah. Die Regale waren mit beschrifteten Kästen und Unterlagen zu verschiedenen Zauberprojekten und Aufgaben gefüllt. Außerdem standen dort eine Reihe kleiner Lapislazuli-Töpfe (ein Geschenk von ihr zum Mittwinterfest), in denen seine Sammlung an Charms und Talismanen langsam heranwuchs. Unter dem Fenster befand sich ein großer Schreibtisch mit sechs Beinen, den Septimus »das Insekt« nannte. Marcia vermied es, den Tisch anzusehen, denn mit seinen dünnen, behaarten Beinen und seiner matt glänzenden schwarzen Platte kam er ihr vor wie eine Riesenkakerlake. Lieber blickte sie an die dunkelblaue Decke, die Septimus gleich nach seinem Einzug mit Sternbildern bemalt hatte. Die silbernen Sterne waren noch nicht verblasst und leuchteten im Sonnenlicht, das durchs Fenster strömte.
Marcia unterdrückte einen Seufzer. Septimus würde ihr fehlen. Ihr Blick fiel auf einen Stapel ordentlich zusammengelegter grüner Kleidungsstücke aus Wolle, aus dem es verräterisch lila hervorblitzte. »Du hast deine Lehrlingstracht zum Wechseln vergessen«, sagte sie. »Die neue, die heute Morgen gekommen ist.«
»Nein, ich habe sie nicht vergessen«, erwiderte Septimus leicht verlegen. Er zog die letzte Rucksackschnalle zu und wuchtete sein Gepäck auf den Boden, wo es mit einem lauten Schlag landete.
Marcia zuckte zusammen. Septimus wurde sehr groß und tapsig, dachte sie. Alles, was er tat, war mit Lärm verbunden. »Du hast wohl keinen Platz mehr«, sagte sie. »Ich lasse sie später von einem Zauberer nachbringen.«
»Eigentlich brauche ich sie gar nicht«, erwiderte Septimus.
Marcia stöhnte. »Du kannst doch nicht einen ganzen Monat lang dieselben Sachen tragen, Septimus.«
»Nein, ich weiß, nur …«
»Dann schicke ich sie.«
»Nein, Marcia. Ich brauche sie nicht. Ich … ich werde meine Alchimistentracht tragen.«
Marcia blieb fast die Luft weg. »Du wirst was tragen?«
»Meine Alchimistentracht. Sie haben doch eingewilligt, dass ich für einen Monat Marcellus’ Lehrling werde.«
»Davon war nie die Rede«, stieß Marcia hervor. »Ich habe eingewilligt, dass mein Lehrling ihm einen Monat lang zur Hand geht, das ist etwas ganz anderes. In dieser Zeit bist du weiterhin mein Lehrling, Septimus. Und kein Alchimie-Lehrling.«
»Marcellus sieht das aber anders«, grummelte Septimus.
»Es interessiert mich einen feuchten Kehricht, wie Marcellus das sieht«, fauchte Marcia aufbrausend. »Ich werde dir die Ersatztracht später nachschicken. Und ich erwarte, dass du sie trägst.«
Septimus unterdrückte einen Seufzer. Er wünschte, Marcia und Marcellus würden aufhören, sich seinetwegen zu streiten. »Ich habe mir schon gedacht, dass Sie das sagen würden«, brummte er.
Eine halbe Stunde später saß Septimus auf der alten Eichentruhe neben der lila Eingangstür und wartete auf Marcia. Früher hätte er sich etwas Interessantes zum Lesen gesucht und sich auf das weiche lila Sofa gefläzt, solange Marcia in ihrem Studierzimmer herumwuselte, aber jetzt hatte der Geist Miss Jillie Djinns, der ehemaligen Obermagieschreiberin, das Sofa in Beschlag genommen.
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