Septimus Heap - Fyre
Septimus streifte den Rucksack ab und ließ ihn auf den Boden plumpsen.
»Autsch!«, rief Thomasinn. »Mein Fuß.«
»Pst!«, zischte Marcia.
»Oh, Mist, tut mir sehr leid«, entschuldigte sich Septimus.
»Also wirklich, Thomasinn, das ist doch nur ein kleiner Rucksack«, rügte Marcia. »Komm, Septimus.«
Marcia hielt ihre Hände im Abstand weniger Zentimeter über das flimmernde Siegel und konzentrierte sich. Plötzlich stieß sie die Hände nach vorn und riss sie rasch auseinander, wodurch das Siegel geöffnet wurde. Zum Vorschein kam eine schmale silberne Tür.
Marcia drückte die Tür auf und zwängte sich hindurch. »Komm, Septimus. Schnell.«
Septimus schlüpfte hinein, und Marcia schloss die Tür mit einem leisen Klacken. Sie legte die Hand auf die glatte Oberfläche, und das behelfsmäßiges Siegel huschte über sie hinweg wie ein lila Blitz. Dann nahm Marcia eine Lampe von einem Haken neben der Tür, entzündete sie und ging, die Lampe hochhaltend, weiter. Septimus folgte ihr durch einen leicht abfallenden, mit Ziegeln gemauerten Tunnel, der sich zu der Versiegelten Zelle hinabschlängelte, die im felsigen Grund unter dem Zaubererturm verborgen war. Magische Schwaden schwebten im Tunnel und schluckten das Geräusch ihrer schnellen Schritte. Alle sieben Meter war in die Wand eine kleine Tür eingelassen, hinter der sich eine Kammer befand, in der, wie Septimus wusste, alle möglichen gefährlichen Gegenstände aufbewahrt wurden. Septimus war ganz aufgeregt. Er hatte gelernt, wie die Versiegelte Zelle funktionierte, und im ersten Lehrjahr hatte er sogar ein kleines Modell davon gebaut. Aber er war nie bis zum Ende des Tunnels gegangen und hatte sie nie gesehen – geschweige denn betreten.
Die Versiegelte Zelle war der sicherste Ort im Zaubererturm. Die gefährlichsten und mächtigsten magischen Gegenstände, Wesen, Zauber und Charms wurden dort eingeschlossen. Ihr letzter Insasse war Jim Knee, Septimus’ Dschinn, gewesen. Er hatte dort so lange schmachten müssen, bis er Marcias Angebot annahm. Nun aber war es der Ring mit dem Doppelgesicht, der hinter der kleinen Tür zur Versiegelten Zelle ganz am Ende des Tunnels verwahrt wurde.
Damit der Versiegelungszauber vollste Kraft entfalten konnte, war diese Tür nur einen Meter hoch und sogar noch schmaler als die Eingangstür. Aus diesem Grund hatten nicht alle bisherigen Außergewöhnlichen Zauberer hindurchgepasst – DomDaniel etwa war stecken geblieben, sehr zur Erheiterung seines damaligen Lehrlings (für Alther bis heute eine schöne Erinnerung). Was der Tür an Höhe und Breite fehlte, machte sie durch ihre Dicke wett. Wie das große Eingangsportal des Zaubererturms bestand sie aus massivem Silber, das man durch den lila Dunstschleier, mit dem das Siegel die Tür umhüllte, schimmern sah.
Marcia stellte die Lampe auf ein kleines Bord neben der Tür, fasste in den lila Dunst und erbrach das Siegel mit einem kurzen Schnipsen aus dem Handgelenk. Dann zog sie drei kleine silberne Schlüssel aus ihrem Zaubergürtel und steckte sie in drei Schlüssellöcher, von denen eines ganz oben an der Tür, eines in der Mitte und eines ganz unten angebracht war. Sie drehte den mittleren Schlüssel, und Septimus hörte, wie sich drei altmodische Zylinderschlösser gleichzeitig entriegelten. Leise quietschend schwang die Tür auf.
Marcia nahm eine lange, durch Zauber geschützte Zange (eine sogenannte Stangenzange) von einem Haken neben der Tür, ergriff die Lampe und schlüpfte durch die schmale Öffnung in die Zelle. Septimus folgte ihr rasch.
Sowie die Tür geschlossen war, verwandelte die Lampe den dunklen, mit fünf Zentimeter dickem, reinem Silber ausgekleideten Raum in ein funkelndes Juwel. Aber das Funkeln konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zelle sehr klein war. Septimus bekam nachträglich Mitleid mit Jim Knee, obwohl es hier vermutlich immer noch besser war als in einer Silberflasche. Tatsächlich kam man sich jedoch wie in einer überdimensionalen Silberflasche vor, denn die Wände waren der runden Form des Tunnelendes angepasst.
In die gewölbte Wand war ein breites Regal eingebaut, und darin stand das Behältnis, in dem der Ring mit dem Doppelgesicht lag: der Zwingerkasten. Dabei handelte es sich um eine schwarze Schatulle, die aus mehreren Ebenholz- und Silberschichten gefertigt und mit Silberbändern gesichert war. Die Stangenzange vor sich haltend, trat Marcia auf den Kasten zu wie jemand, der sich einer kleinen, aber hochgiftigen
Weitere Kostenlose Bücher