Septimus Heap - Fyre
hat.«
»Wovon?«, fragte Jenna gereizt. Manchmal beschlich sie der Verdacht, dass Marcellus sich darin gefiel, in Rätseln zu sprechen.
»Das will ich Ihnen sagen.«
Einige Zeit später, als Marcellus am Ende seines Berichtes angekommen war, empfand Jenna tiefes Mitgefühl mit Esmeralda. Und Septimus auch.
Marcellus schloss mit den Worten: »So, Prinzessin, und nun müssen Sie hinab in die Herzkammer.«
Jenna spähte in das rötliche Dunkel hinter den beiden kleinen Türen, und im ersten Moment wünschte sie sich, sie hätte Marcellus nie um Hilfe gebeten. Wie die meisten Königinnen und Prinzessinnen der Burg war Jenna in mancher Hinsicht zartbesaitet, und im Moment war ihr ziemlich flau. Aber sie musste tun, was getan werden musste. Sie holte tief Luft, duckte sich in die niedrige Öffnung und krabbelte hinein. Sie ertastete die breite Bootsrippe, die ihr Marcellus beschrieben hatte, und kroch vorsichtig darauf. Unter ihr lag, wie sie jetzt wusste, das Herz des Drachenboots.
Wie von Marcellus angewiesen, kippte sie ein paar Topfen des leuchtend blauen Tx3 Wiederbelebers in ihre Handflächen und verrieb sie. Der frische Pfefferminzduft überdeckte den schweren, fleischigen Geruch der Kammer und vertrieb Jennas Übelkeit. Sie fasste nach unten in die Dunkelheit, und ihre Hand stieß auf etwas Festes. Es war kühl, aber nicht eiskalt und überhaupt nicht glibberig, wie sie befürchtet hatte. Es fühlte sich so an, wie wenn sie in einer frostigen Nacht den Hals ihres Pferdes Domino tätschelte. Das war das Herz des Drachenboots. Sie streckte beide Hände aus, ließ sich nach vorn fallen und legte sich mit ihrem ganzen Gewicht auf das Herz, ehe sie nach ein paar Sekunden den Druck verminderte. Das wiederholte sie zwei Mal, dann setzte sie sich auf und wartete. Nichts geschah. Sie zählte langsam bis zehn und tat dasselbe noch einmal. Eins … zwei … drei. Wieder wartete sie, und dann wiederholte sie die Prozedur erneut. Keine Reaktion. Sie ließ sich ein fünftes Mal nach vorn sinken und drückte mit ihrem ganzen Körpergewicht auf das reglose Herz. Darauf musste es doch ansprechen! Eins … zwei … drei … warten, bis zehn zählen, dann das Ganze wieder von vorn. Sie war fast bei zehn angelangt, da spürte sie unter sich im Dunkeln eine Bewegung. Ein Zucken, ein leichtes Zittern – und dann pulsierte ein tiefes, träges Bu-bum durch die Kammer. Im Nu war Jenna zur Tür hinaus.
»Es hat geklappt!«, flüsterte sie aufgeregt. »Es hat geklappt. Ihr Herz hat gerade einen Schlag getan. Sie lebt!«
»Eine wahre Königin«, sagte Marcellus lächelnd. »Niemand sonst hätte das vollbringen können. Ich schlage vor, wir warten den nächsten Schlag ab, bevor wir die Tür wieder schließen. Nur um ganz sicherzugehen.«
Sie warteten. Und warteten. »Zwei Minuten«, hallte das Flüstern des Alchimisten durch die Höhle, aber Jenna kam es so vor, als wären schon zehn vergangen. »Drei … vier …«
Und dann endlich – ein weiteres Bu-bum tönte durch das Drachenhaus.
»Dem Himmel sei Dank«, flüsterte Marcellus. »Jetzt lasst uns schnell die Türen schließen. Es ist nicht gut, wenn so empfindliche Teile der Luft ausgesetzt sind.« Er legte den Schlüssel auf die Türen und verschloss sie wieder. »Vielleicht könntest du sie wieder vereisen, Lehrling«, sagte er zu Septimus.
»Mit einem Eiszauber, meinen Sie?«, fragte Septimus grinsend.
»Egal!«, erwiderte Marcellus, der sich wie Marcia von Septimus’ Ausdrucksweise anstecken ließ.
Wieder ertönte ein Bu-bum.
Septimus sprach seinen Zauber, und eine frische Eisschicht überzog die Türen. Dann kletterten sie vom Boot und gingen hinaus auf die helle, verschneite Bootswerft, wo Jannit Maartens kleine Gestalt nervös wartete. Als sie von dem Marmorpfad traten, begrüßte sie ein seltsames Rascheln wie von Herbstlaub – es war der Applaus, den die Geisterschar von Königinnen und Prinzessinnen spendete.
Bu-bum.
Die Geister bildeten eine Gasse, um sie durchzulassen, und alle lobten Jennas Königinnen-Fähigkeiten. Ihre Großmutter, Königin Matthilda, die ihre schmollende Tochter im Turm zurückgelassen hatte, konnte sich nicht länger beherrschen. Sie erschien Jenna. »Gut gemacht, mein Liebes«, sagte sie.
Jenna starrte den Geist entsetzt an. Abgesehen von der grausigen Etheldredda hatte noch nie der Geist einer Königin zu ihr gesprochen. Wie sie wusste, war es Geistern nach Paragraf 133 der Königinnenregeln verboten, mit lebenden Prinzessinnen und
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