Septimus Heap - Fyre
tausend Bettlaken gleichzeitig zerrissen. Feuerspei ließ sich nicht zweimal bitten. Er drückte die Flügel nach unten und hob genau in dem Moment vom Eis ab, als es unter seinem Gewicht einbrach. In einer wirbelnden Wolke aus Eis und Schnee stieg er mit Septimus in die Luft auf.
Jenna, Marcellus und Jannit sahen zu, wie Feuerspei noch etwas an Höhe gewann und dann langsam auf die kahle Mauer am Ende des Cut zuflog. Jannit war beeindruckt, denn sie wusste, wie schwierig es war, mit seltsam geformten Fortbewegungsmitteln auf engstem Raum zu manövrieren. Als Feuerspei nur noch wenige Meter von der Mauer entfernt war, bremste er ab und schwebte so in der Luft, dass seine Nase auf gleicher Höhe mit der goldenen Scheibe war, die an der Mauer prangte. Die Scheibe saß unmittelbar über einer Reihe großer, behauener Steine, die einen eleganten Bogen bildeten – dies war der einzige Hinweis auf den verborgenen Eingang zum Drachenhaus.
Prickelnde Erregung erfasste Septimus. Dies war keine Übung auf der Drachenwiese, bei der Feuerspei und er versuchten, eine Zielscheibe zu treffen. Diesmal würden sie ein richtiges Feuer erzeugen. Und etwas damit bewirken – nämlich das Drachenhaus öffnen. Er tätschelte Feuerspei beruhigend den Hals. Dann rief er: »Zünden!«
Ein tiefes Rumpeln drang aus dem Feuermagen des Drachen, als sich der Phosphor der Knochen, die Septimus auf dem Weg zur Werft noch rasch an ihn verfüttert hatte, in die Gase verwandelte, die zusammen das magische Feuer erzeugen würden. Die Gaswolke stieg durch Feuerspeis Feuerschlund herauf, gelangte an die Luft und entzündete sich mit einem lauten Wusch ! Ein dünner, blendend heller Feuerstrahl schoss aus dem Maul des Drachen und traf die goldene Scheibe genau in der Mitte. Die Scheibe begann zu glühen, das Mattgold verfärbte sich in ein dunkles Orange, dann in ein helles Rot und schließlich in ein grelles Weiß. Plötzlich zuckte ein lila Blitz auf. Alle fuhren vor Schreck zusammen und schlossen die Augen, auch Feuerspei.
Als die Zuschauer die Augen wieder öffneten, stockte ihnen der Atem. Die Mauer war verschwunden, und das Drachenhaus lag frei: eine hohe, mit Lapislazuli ausgekleidete Höhle, deren gewölbte Decke mit goldenen Hieroglyphen geschmückt war. Und darunter lag, eingeschlossen in klarem blauem Eis, das Drachenboot. Der Kopf der Drachin ruhte auf dem Marmorweg, auf dem er drei Jahre zuvor schon gelegen hatte.
Septimus hörte von unten einen Schrei und sah hinab. Jenna rannte in Richtung Drachenhaus.
»Das Drachenboot ist mit Eis bedeckt!«, hörte er sie schreien. »Es ist tot.«
* 12 *
DIE HERZKAMMER
Septimus landete mit Feuerspei auf dem Platz auf der Burgmauer über dem Drachenhaus, auf dem Jenna dem Herzschlag der Drachin gelauscht hatte. Erst als sein Drache den Boden berührte, erkannte er, dass das, was er für eine vom Schnee geräumte Stelle gehalten hatte, in Wirklichkeit schwarzes Eis war. Feuerspeis Füße fanden keinen Halt, und mit einem dumpfen Schlag landete er auf seinem gut gepolsterten Bauch und rutschte in hohem Tempo auf die Zinnen zu. Einen Augenblick später waren die Zinnen fort, und eine Steinlawine prasselte nach unten in den Cut. Erst als Feuerspei seine Krallen ins Eis grub – und seinen Schwanz gekonnt als Bremse einsetzte –, konnte er die Rutschpartie beenden, was ihn und Septimus davor bewahrte, den Steinen in die Tiefe zu folgen.
Weiter oben in einer Dachkammer beobachtete ein Junge erfreut die Szene. »Oma, Oma, das ist Feuerspei. Oma, sieh doch!«, rief er aufgeregt.
Seine Großmutter war weniger begeistert. »Mit seinem Schwanz schlägt er uns noch alle Fenster ein«, brummte sie.
Septimus glitt aus der Pilotenkuhle und tätschelte dem Drachen die Nase. »Gut gemacht, Feuerspei. Flieg nach Hause!«
Aber Feuerspei wollte nicht nach Hause. Er sah, dass direkt unter seinen Füßen ein anderer Drache lag, und wollte ihn kennenlernen. Unwillig klopfte er mit dem Schwanz.
Der kleine Junge in der Dachkammer quietschte vor Vergnügen. Seine Großmutter riss das Fenster auf. »Vorsicht!«, schrie sie.
»Verzeihung!«, rief Septimus zurück. Er betrachtete seinen sturen Drachen, und zwischen ihm und Feuerspei stellte sich wieder ein Zustand völligen Einklangs ein – jetzt verstand er, warum Feuerspei bleiben wollte. Septimus hielt sich die Hand ans Ohr, womit er Feuerspei zu verstehen gab, dass er ihm zuhören sollte. Feuerspei senkte gehorsam den Kopf, sodass Septimus direkt
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