Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
jeder, der sie an diesem Tag sah, wusste, dass die künftige Königin vor ihm stand. Alle im Saal verstummten ehrfürchtig.
Sie reichte einem besonders stimmgewaltigen Herold ein zusammengefaltetes Blatt und er verkündete laut über die tuschelnden Zuhörer hinweg:
Generäle von Tanamoot,
Goredd erkennt die Rechtmäßigkeit Eurer Herrschaftsansprüche über das Land der Drachen nicht an. Ardmagar Comonot ist noch am Leben, und belanglose Drohungen werden uns nicht bewegen, ihn auszuliefern oder Euren Beschuldigungen Glauben zu schenken. Er ist unser bewährter Freund und Verbündeter, Begründer und Verteidiger des Friedens und der rechtmäßige Herrscher von Tanamoot.
Wenn Ihr Krieg wollt, dann seid gewarnt. Wir sind nicht so wehrlos, wie Ihr törichterweise meint. Und auch Euer eigenes Volk wird nicht blindlings für Euch Partei ergreifen, denn es wünscht sich, dass unsere beiden Arten weiterhin zusammenleben. Dieser Frieden ist ein wahrer Segen für die Welt, er hat sie zum Besseren gewandelt. Ihr könnt das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen.
Daher hegen wir die inständige Hoffnung, diesen Streit mit Worten beilegen zu können.
Ihre Hoheit, Prinzessin Glisselda, Erste Thronerbin von Goredd, im Namen Ihrer Majestät, Königin Lavonda der Großartigen.
Wir klatschten schweren Herzens Beifall, denn wir wussten nur zu gut, dass dieser Brief für die Generäle Anlass genug sein würde, einen Krieg anzuzetteln. Ein Kampf stand bevor, ob wir wollten oder nicht. Ich sah aber auch grinsende Gesichter in der Menge, denn manche unter uns hätten ihn in der Tat herbeigesehnt.
Es dauerte endlos lange, bis sich die Menschenmenge verlaufen hatte, jeder wollte die Gelegenheit ergreifen, die Ankündigung zu diskutieren. Die Palastwachen lenkten die Menschen, so gut sie konnten, nur Kiggs war nirgendwo zu sehen. Er war doch sonst immer da, wo der Trubel am dicksten war.
Prinzessin Glisselda hatte es ebenfalls vorgezogen, sich zurückzuziehen. Vermutlich war Kiggs bei ihr. Außerhalb des königlichen Wohnflügels gab es zwei Orte, an denen ich nach ihnen suchen konnte. Ich hatte gerade den Fuß auf die große Freitreppe gesetzt, als jemand mich von hinten ansprach. »Sag mir, dass es nicht wahr ist, Serafina. Sag mir, dass es alles Lügen sind, die man sich über dich erzählt.«
Ich drehte mich um. Graf von Apsig kam durch die Vorhalle auf mich zu, die Schritte seiner Stiefel hallten auf dem Marmorboden. Ich brauchte nicht erst zu fragen, was er damit meinte. Die Vertreter von Ninys und Samsam hatten die Nachricht bereits bis in die hintersten Winkel des Hofes verbreitet. Ich stützte mich leicht auf das Geländer und holte tief Luft. »Es ist keine Lüge«, sagte ich. »Ich bin ein Drache – wie Lars auch.«
Apsig zuckte weder zurück noch stürzte er sich auf mich – wie ich es halb befürchtet hatte. Er sah mich fassungslos an, ließ sich auf die weiten Steintreppen fallen und stützte den Kopf in die Hände. Einen Moment lang überlegte ich tatsächlich, ob ich mich neben ihn setzen sollte, so niedergeschlagen sah er aus. Aber er war und blieb unberechenbar.
»Was sollen wir jetzt tun?« Er warf die Hände in die Luft und blickte mich aus rot geränderten Augen an. »Sie haben gewonnen. Es gibt nichts mehr, was ausschließlich den Menschen vorbehalten ist; in diesem Konflikt gibt es keine klaren Fronten mehr. Sie sickern überall ein, beherrschen alles! Ich habe mich den Söhnen von Sankt Ogdo angeschlossen, weil sie die Einzigen zu sein schienen, die gewillt waren, etwas zu unternehmen, die Einzigen, die dem Vertrag nicht blind Folge leisteten und ihn als das bezeichneten, was er ist: unser Untergang.«
Er raufte sich die Haare, als wollte er sie mit den Wurzeln ausreißen. »Aber wer hat mich mit den Söhnen bekannt gemacht und mich gedrängt, ihnen beizutreten? Dieser Drache, Lady Corongi.«
»Sie sind nicht alle darauf aus, uns zu vernichten«, sagte ich sanft.
»Nein? Und was ist mit der Kreatur, die deinen Vater überlistet hat? Oder dem Ungeheuer, das meine Mutter betrogen hat und schuld daran ist, dass sie einen Bastard zur Welt brachte?«
Ich schnappte nach Luft. Er warf mir einen finsteren Blick zu und sagte: »Meine Mutter hat Lars genauso aufgezogen wie mich, wie einen ebenbürtigen Bruder. Eines Tages wuchsen ihm Schuppen aus der Haut. Damals war er sieben. Er zeigte sie uns, rollte ganz unschuldig seinen Ärmel hoch …« Seine Stimme versagte, er fing an zu husten. »Mein Vater hat ihr
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