Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
stirbt immer die ganze Linie aus.«
Er lächelte benommen ins Leere. »Ich frage mich, ob das wirklich stimmt.«
»Ich frage mich das nicht. Ich bin gekommen, um dir Lebewohl zu sagen und eine gute Reise zu wünschen, und nicht, um mich mit dir darüber zu unterhalten, ob ich mich fortpflanzen kann.«
»Du redest wie ein Drache«, sagte er benommen. Er wurde immer schläfriger.
Ich wischte mir die Augen. »Du wirst mir fehlen!«
Er drehte den Kopf zu mir. »Ich habe den kleinen Jungen gerettet. Er sprang von Imlanns Hals auf meinen, dann bin ich in den Fluss gestürzt, und er hat getanzt. Er hat auf meinem Bauch getanzt, ich habe es gespürt.«
»Er hat auf dir getanzt. Natürlich hast du das gespürt.«
»Nein, nicht so. Anders gespürt. Ich war nicht in meinem Saarantras, und trotzdem war ich … froh, obwohl ich mir die Beine gebrochen hatte und das Wasser eiskalt war. Ich war froh. Und dann ist Eskar gelandet und ich war dankbar. Und als die Sonne schien, war ich traurig wegen meines Vaters. Und auch deinetwegen.«
»Meinetwegen?«
»Weil mich die Zensoren schließlich doch noch überlistet hatten und sie mein Gehirn stutzen würden und du deswegen weinen würdest.«
Jetzt weinte ich tatsächlich. »Bei Eskar wirst du gut aufgehoben sein.«
»Ich weiß.« Er nahm meine Hand und drückte sie. »Ich kann es nicht ertragen, dich allein zu lassen.«
»Ich bin nicht allein. Es wird immer andere wie mich geben. Ich werde sie finden.«
»Wer soll dich küssen? Wer soll dich in den Schlaf wiegen?« Seine Stimme war schleppend und undeutlich.
»Das hast du nie gemacht«, sagte ich, um ihn ein wenig zu necken. »Du warst väterlicher zu mir als mein Vater, aber das hast du nie getan.«
»Irgendjemand sollte es aber tun. Irgendjemand sollte dich lieben. Ich werde ihn beißen, wenn er es nicht tut.«
»Psst. Jetzt redest du wieder Unsinn.«
»Kein Unsinn! Das ist wichtig!« Er wollte sich aufsetzen, schaffte es aber nicht. »Deine Mutter hat mir einmal etwas gesagt, das ich dir auch sagen muss … denn du musst … du musst es verstehen …«
Seine Augen fielen zu, und er schwieg so lange, dass ich schon dachte, er sei eingeschlafen, aber dann sagte er derart sanft, das ich es kaum ertragen konnte: »Liebe ist keine Krankheit.«
Ich drückte meine Stirn an seine Schulter: Alles, was ich ihm nie gesagt hatte, wollte plözlich aus mir heraus, aber ein gewaltiger Kloß im Hals drückte mir die Kehle zu. Behutsam strich er mir übers Haar.
»Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie recht hatte«, murmelte er. »Aber ich kann es nicht zulassen, dass sie dich oder sie aus meinem Gedächtnis stehlen. Ich werde mich an diese Krankheit klammern … wenn es denn eine Krankheit ist … ich werde sie an mich drücken wie … die Sonne und die …«
Er verstummte, diesmal war er fest eingeschlafen. Ich saß da und hielt die Arme um ihn geschlungen, bis Eskar zurückkam. Ich strich ihm die Haare aus der Stirn und hauchte einen Kuss darauf. Eskar starrte mich an. »Passt gut auf ihn auf oder ich … ich werde Euch beißen!«, sagte ich zu ihr.
Der Himmel draußen war blau, kalt und sehr, sehr hoch. Die Sonne war viel zu hell – zu hell, um hinaufzuschauen, zu hell, um sie an mich zu drücken. »Aber ich werde es versuchen, Onkel«, murmelte ich. »Selbst wenn sie mich verbrennt. Ich will sie an mich drücken.«
Ich eilte durch die matschigen Straßen nach Hause. Ich musste nach einem Prinzen suchen.
Siebenunddreißig
A ls ich den Palast erreichte, drängten sich vor den Toren die Kutschen. Der Magistrat der Stadt, der Bischof, das Domkapitel, die Zunftmeister, die Königliche Garde – alle Menschen, die irgendwie wichtig waren in der Stadt, wollten als Erste hinein. Drinnen spülte mich die Menschenmenge in den Großen Saal. Es waren mehr Besucher als hineinpassten, die Hälfte wurde wieder nach draußen in den gepflasterten Burghof geschickt.
Die Beratungen hatten anscheinend nicht lange gedauert. Gleich würde die offizielle Verlautbarung verkündet werden.
Ein Balkon auf halber Höhe des Saals wurde zu beiden Seiten hin geöffnet, sowohl auf die Große Halle zu als auch in den Schlosshof, sodass man jemanden, wenn er denn laut genug sprach, drinnen wie draußen verstehen konnte. Glisselda erschien auf dem Balkon und winkte der jubelnden Menge zu. Sie trat auf als Stellvertreterin ihrer Großmutter – aus Trauer um ihre Mutter war sie ganz in Weiß gekleidet, das goldene Haar leuchtete wie eine Krone –, aber
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