Serafinas später Sieg
bringen, aber es wäre zweifellos eine äußerst lehrreiche Erfahrung für diese ehrgeizige Person, wenn sie feststellen müßte, daß auch sie nicht gegen die Einschränkungen gefeit ist, denen eine Frau sich zu unterwerfen hat. Nein, ich werde sie nicht fragen – es gibt andere Möglichkeiten, es herauszufinden.«
Constanza kannte diesen Tonfall bei ihm. »Galeazzo …« begann sie zögernd.
Er küßte sie. »Ich bin neugierig, das ist alles. Es läuft eine Wette …« Grinsend legte er sich auf sie.
Constanza sah Serafina vor sich – ein kleines Mädchen mit dunklen Haaren, leicht schrägstehenden Augen und hohen Backenknochen. Und sie hatte noch im Ohr, was Thomas sagte: »Sie verführte mich! Eine Jungfrau verführte mich, um Erfahrungen zu erwerben, die ihr bei dem alten Mann von Nutzen sein könnten!« Sie hatte ihm angemerkt, daß er es gleich darauf bereute, ihr sein Herz ausgeschüttet zu haben, doch seine Bedenken waren grundlos gewesen. Sie würde niemandem erzählen, was er ihr anvertraut hatte. Niemals! Sie fuhr mit dem Finger über die Narbe an ihrem Unterkiefer. Sie wußte besser als die meisten Menschen, was Klatsch anrichten konnte.
Galeazzo war fertig. Er rollte sich von ihr herunter auf den Rücken. Sein Gesicht war puterrot, die spärlichen Haare klebten schweißnaß an seinem Kopf. Als sein keuchender Atem sich beruhigt hatte, fragte Constanza: »Weißt du etwas über den Engländer?«
»Über welchen Engländer? Meinst du den von der Levant Company? Diesen verwegenen Burschen mit dem unmöglichen Filzhut? Ich nehme an, er ist tot. Es soll eine Auseinandersetzung wegen eines Schiffes gegeben haben.«
Wegen eines Schiffes! Sie erinnerte sich daran, wie es sie amüsiert hatte, daß er von seinem Schiff im gleichen Ton gesprochen hatte wie von Serafina. Mit einer Mischung aus Liebe und Trotz – als sei er sich bewußt, in welchem Maße die beiden sein Leben beeinflußten, jedoch nicht bereit, dies zu akzeptieren.
Und nun war er tot. Traurigkeit stieg in ihr auf. Nein – eher Enttäuschung. Thomas Marlowe hatte viel Energie besessen, es fiel ihr schwer, sich vorzustellen, daß sie versiegt sein sollte. Sie stand auf und zog sich an.
»Entweder ist er bereits tot, oder er liegt im Sterben – ich bin nicht sicher«, fügte Galeazzo schläfrig hinzu. Nackt auf dem Bett liegend, sah er durch halbgeschlossene Lider zu, wie Constanza ihre Haare wieder zu einem Knoten schlang. »Der Streit fand wohl vor ein, zwei Wochen in Livorno statt.«
Sie hätte gerne ein paar Fragen gestellt – zum Beispiel nach dem Grund der Auseinandersetzung –, doch sie tat es nicht. Ob Serafina wußte, was ihrem heimlichen Liebhaber zugestoßen war? Galeazzo Merli war eingeschlafen. Constanza faßte den Entschluß, nach Livorno zu reisen.
Constanza nahm nur ihren Pagen Hélion als Begleitschutz mit. Sie hatte niemandem gesagt, was sie plante. Die Tatsache, daß sie allein lebte, hatte einen Vorteil: Sie war niemandem Rechenschaft schuldig. In Livorno die Adresse des Bevollmächtigten der Levant Company zu erfahren war kein Problem. Sein Haus lag in der Nähe der Docks. Als sie am Fuß der Treppe ankam, kroch fahles Morgenlicht über den Himmel.
Constanza war noch nie aus Italien herausgekommen, und seit sie vor vielen Jahren aus Venedig nach Pisa gezogen war, auch nicht aus der Stadt – abgesehen von unregelmäßigen Besuchen bei ihrer Tochter in Neapel. Doch sie wäre gerne gereist, unter anderem, um zu sehen, ob die Menschen in anderen Regionen der Erde besser mit ihren Problemen zurechtkamen.
Hélion klopfte an. Die Tür wurde geöffnet, aber nicht von Mr. Keane, sondern von einem Diener.
»Ich möchte deinen Herrn sprechen«, sagte sie in sanftem Ton, denn der junge Mann wirkte ängstlich.
»Mr. Keane ist nicht da«, antwortete er ablehnend. »Er ist vor drei Tagen nach Scanderoon gesegelt.« Antonio versuchte angestrengt, das Gesicht hinter dem schwarzen Musselinschleier zu erkennen.
»Dann führe mich zu Mr. Marlowe«, ersuchte Constanza ihn freundlich. »Oder ist der auch nach Scanderoon gesegelt?«
Der Diener schüttelte den Kopf. »Mr. Marlowe ist krank.« Also war er nicht tot! »Ich möchte ihn sehen.« Sie trat einen Schritt vor.
»Er ist nicht hier!« Antonio breitete die Arme aus, um ihr den Zutritt zum Haus zu verwehren.
»Wie ist dein Name, mein Guter?« fragte Constanza geduldig.
Nachdem er ihr diesen verraten hatte, lüftete sie den Schleier und hob die Hände. »Schau her,
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