Serafinas später Sieg
aber exklusiven Kundenstamm. Sie gebot über ein Dutzend Bedienstete und Angestellte, ihr Kleiderschrank und die Speisekammer waren voll. Ein halbes Dutzend Weber verarbeiteten soviel Rohseide, wie sie benötigte. Sie arbeiteten nur für sie. Es war Serafinas Ziel, eines nicht zu fernen Tages eigene Werkstätten zu besitzen wie diejenigen, die sie in Florenz gesehen hatte. Nicht einmal die Guardis hatten ihre Seide selbst gewebt, sondern nur mit fertigen Stoffen gehandelt.
Serafina wurde plötzlich bewußt, daß sie lächelte. Sie hatte ihre Sorgen und Ängste hinter sich gelassen und sogar den hinderlichen Klumpen unter ihrem bauschigen Kleid vorübergehend völlig vergessen. Nachts strampelte das unselige Geschöpf in ihrem Leib. Es war ein Teil von ihr, und ließ sich doch nicht von ihr kontrollieren. Tagsüber war sie so beschäftigt, daß ihr die Bewegungen kaum auffielen. Im Augenblick erschien es ihr unwirklich, daß sie ein Kind bekommen würde – eine Unmöglichkeit! Dies war wirklich: Die kahlen Bäume in der Ferne, die wie schwarze Skelette in die Winterluft ragten, die weite Fläche des Meeres, in der sich der Himmel spiegelte, der dampfende Atem ihres Pferdes, das Zaumzeug und die Zügel, die Schiffe, die sich in Häfen zusammendrängten oder über den Horizont in die Unendlichkeit segelten. Sie war mit Amadeo zu einem Fischerdorf nicht weit von Viareggio unterwegs, um sich dort ein Boot anzusehen. Als der Ort in Sichtweite kam, sah Serafina, daß er aus einer kleinen Ansammlung von Steinhäusern bestand, an deren Rand ärmliche Hütten kauerten. Sie brauchte ein Schiff, und sie war entschlossen, noch vor dem Frühling eines zu finden. Seit dem letzten Herbst war sie nicht mehr in Livorno gewesen. Etwas hatte sie davon abgehalten, wahrscheinlich der Ärger über die Gewißheit, daß sie die Kingfisher nicht bekommen würde. Sie ließ den Gedanken nicht zu, daß der Grund in den Erinnerungen an die
Nacht im Palazzo Sacchetti zu suchen sein könnte. Ihr Zusammensein war nur ein Geschäft gewesen – zum beiderseitigen Nutzen.
Sie erkannte auf den ersten Blick, daß sie sich diesen Ritt hätte sparen können. Der Fischer, einer der vielen Griechen, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Italien gekommen waren, führte sie zum Hafen hinunter und begann das Boot, das an der Mole vertäut lag, in den höchsten Tönen zu loben. Serafinas gute Laune verflog, als sie die abblätternde Farbe und die Entenmuscheln an den Planken entdeckte. Es war nicht nur zu klein für ihre Zwecke, sondern auch noch zu alt und in zu schlechtem Zustand.
»… ein wunderbares Boot, Signora. Ich bin damit in weniger als vier Wochen von der Toskana nach Marseille gesegelt. Ich gebe es nur sehr ungern her, aber …«
»Nein!« Der Wind schleuderte dem Mann das vernichtende Wort ins Gesicht. Serafina drehte sich auf dem Absatz um und machte sich, gefolgt von Amadeo, auf den Rückweg zu den Pferden. Der Fischer hastete hinter ihr her. »Es braucht nur einen neuen Anstrich, Signora. Kommen Sie an Bord – dann werde ich Ihnen …«
Wieder einmal erschien die Kingfisher vor ihrem geistigen Auge. Zornig schob sie das Bild weg. Obwohl es erst Mittag war, fühlte sie sich erschöpft – ein Zustand, mit dem sie mehr und mehr zu kämpfen hatte, je weiter ihre Schwangerschaft fortschritt. »Das Boot bräuchte weit mehr als einen neuen Anstrich. Der Rumpf ist verfault, die Planken müßten kalfatert werden, die Masten sehen aus, als brächen sie jeden Augenblick mittendurch, und die Segel sind morsch. Es wird den Winter nicht überstehen – geschweige denn mich im Frühling in die Provence bringen.«
Der Fischer murmelte etwas, worauf Amadeo sie verblüfft musterte, doch Serafina, die sich plötzlich plump und grotesk vorkam, ließ sich ihre Bestürzung nicht anmerken, band ihr Pferd los und schwang sich ohne Hilfe in den Sattel.
»Sie werden im Frühling nirgendwohin segeln, Sie werden im Kindbett liegen«, hatte der Fischer gesagt.
Wieder einmal wurde sie von ohnmächtiger Wut erfaßt. Sie rammte ihrem Pferd die Fersen in die Flanke und preschte im gestreckten Galopp davon, ohne das Dorf oder den Hafen, in dem Boote verschiedener Größe auf dem winterlich grauen Wasser schaukelten, eines weiteren Blickes zu würdigen. Nach einer Weile begann es zu regnen, aber sie behielt ihr Tempo bei, als wolle sie sich durch den scharfen Ritt beweisen, daß die Schwangerschaft ihr nichts anhaben könne. Die eisigen Regentropfen
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