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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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etwas Suppe vertragen. Wenn du mir welche holen würdest … aber nicht zu heiß, denke daran.«
    Wieder sechzig Stufen – nein, hundertzwanzig. Sie mußte auf jedem Absatz pausieren, um zu Atem zu kommen und sich den schmerzenden Rücken zu reiben. Jacopo bekleckerte sich und die Decken mit der Suppe. Wieder Stufen! Diesmal zum Schlafzimmer hinauf, um saubere Sachen für ihn zu holen. Serafina versuchte, ihre Stimmung etwas zu bessern, indem sie an Angelo dachte. Auf dem Bankett bei den Merlis hatte der Franzose Philippe Moireau von dem Gerücht berichtet, ihr Halbkusin habe mit Geldproblemen zu kämpfen. Diese Eröffnung hatte sie beflügelt. Sie machte sich daran, den guten Ruf zu schädigen, der für eine Handelsfirma lebenswichtig war – und sie hatte drei von Angelos Kunden abgeworben. Es waren nicht seine wichtigsten – ihr Verlust allein würde ihn nicht ruinieren –, doch es hatte sie mit einer ungeheuren Befriedigung erfüllt. Als habe sie seine Schatztruhe geplündert. Sie würde sein Geschäft langsam und unauffällig untergraben, bis das Gebäude aufgrund seiner morsch gewordenen Grundfesten in sich zusammenstürzte – und dann würde sie aus den Trümmern wieder das schaffen, was er ihr gestohlen hatte.
    Zu ihrem Kummer gelang es ihr heute nicht, das Gefühl nahenden Triumphes zurückzuholen, das sie seinerzeit empfand. Sie fühlte sich niedergeschlagen, eingeengt durch die Zwänge, die ihr Geschlecht ihr auferlegte, und durch die erschreckende Empfindlichkeit des menschlichen Körpers.
    Jacopo war eingeschlafen. Vorsichtig nahm Serafina ihm Suppenschüssel und Löffel aus der Hand. Der Schmerz in ihrem Rücken hatte sich inzwischen so sehr verschlimmert, daß sie den Eindruck hatte, mittendurch geschnitten zu werden. Angst stieg in ihr hoch – davor, was er bedeuten könnte. Sie war zu müde, um noch einmal die Treppe zum Schlafzimmer hinaufzusteigen, zog ihren Schal um die Schultern zusammen und kuschelte sich in den Sessel, der am Fenster stand.
    Zwischen Constanzas Haus und der Piazza lagen nur ein paar Straßen, doch Galeazzo, seine Freunde und die Kurtisane brauchten fast eine Stunde für die kurze Strecke. Plätze, Gassen und Brücken wimmelten von Menschen. Auf dem ockerfarbenen Wasser des Arno drängten sich kleine Boote. Stände waren aufgestellt worden, an denen man Schwein und Hammel vom Spieß oder Pfannkuchen kaufen konnte. Der Duft heißen, gewürzten Weines stieg aus zahlreichen Kesseln in die Winterluft. Die Leute waren verkleidet und trugen gold- oder silberfarbene oder rot-schwarze Masken mit Hörnern, Quasten oder langen Nasen. Auf Karren, die von Pferden gezogen wurden, grinsten Teufel, lächelten herrlich gekleidete Göttinnen, schleuderten Riesen Drohungen in die Menge. An der Ponte Mezzo stand ein blinder Junge und sang. Seine Hände konnten die Münzen, die er bereits bekommen hatte, kaum noch halten. Der Widerschein der Feuer und Fackeln färbte den Himmel blutrot.
    In der Mitte der Piazza war eine riesige hölzerne Burg errichtet worden. Als Soldaten verkleidete Männer marschierten auf dem Wehrgang auf und ab. Andere versuchten, die Holzwände zu erklimmen oder die wackelige Zugbrücke herunterzuziehen.
    Galeazzo brachte Constanza einen Glühwein, und sie umfaßte dankbar den Becher, um sich ihre kalten Finger zu wärmen. Gerade als sie den ersten Schluck trank, zündete jemand ein schnapsgetränktes Tuch an und schleuderte es in Richtung der Holzburg. Es landete auf einer Zinne, die sofort Feuer fing. Galeazzo Merli, dessen besticktes Mieder offenstand, grölte begeistert. Einer seiner Freunde, ein junger Notar namens Niccolo, riß eine Fackel von einer Hauswand und warf sie in die Burg. Ein Soldat schüttete einen Eimer Wasser auf das Feuer. Es zischte und spuckte, aber es war zu spät: Die Flammen tanzten bereits die Zinnen entlang, und außerdem warfen immer mehr Leute brennende Stoffe, Stöcke und Laternen. Männer sprangen von den Türmchen und der Zugbrücke. Orangefarben loderten die Flammen in den Himmel. Die Burg ächzte, bebte und stürzte dann in einem Funkenregen in sich zusammen. Viele klatschten, andere schrien Beifall. Der Brand verbreitete eine geradezu sommerliche Hitze und ließ Masken und Gesichter in allen Farben des Feuers leuchten. Am Arm von Galeazzo schlenderte Constanza über die Piazza, als jemand ihren Namen rief. Sie kannte viele von den Leuten hier. Kaufleute, Bankiers und Prinzen hatten sich ebenso zum Feiern eingefunden wie Angestellte

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