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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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und Bedienstete. Die Masken verbargen ihre Identität und hoben alle Standesunterschiede auf. Constanza hatte den Karneval schon immer gemocht – der Trubel und die Anarchie, die damit einhergingen, sprachen einen sorgfältig geheimgehaltenen Zug ihres Wesens an.
    Musiker hatten eine Melodie intoniert, und vor der Kulisse der schwelenden Burgreste begannen Paare zu tanzen. Galeazzo entledigte sich seines Kleides und des Reifrockes, unter denen er korrekt gekleidet war, und zog Constanza mit sich.
    Licht flackerte über die Gesichter, während die Tanzenden sich drehten. Dicke, hagere, alte, junge – Männer, mit denen sie geschlafen hatte, Ehefrauen, die sie ignorierten, wenn sie ihnen auf der Straße begegnete. Ein braunhaariges Mädchen, das sie an ihre Tochter Maria in Neapelerinnerte, ein hübscher junger Bursche wie derjenige, der zum Messer gegriffen und sie für immer gezeichnet hatte, blaue Augen, die das Bild des englischen Steuermanns heraufbeschworen.
    Als die Musik verstummte, sanken sie erschöpft auf die Stufen, die zur Kirche führten. Es hatte vor einer Weile zu schneien begonnen, und die Flocken fielen jetzt dichter. Die großen Kristalle setzten sich auf Constanzas schwarzes Samtcape. Galeazzos Freunde gesellten sich zu ihnen, manche noch in Frauenkleidern, andere bereits wieder als Männer zu erkennen, in Wams und Beinkleid. Constanza aß Bratäpfel und trank Glühwein. Ein frischer Wind kam auf und trieb sein Spiel mit den Schneeflocken. Es wurde kälter. Bald würde sich eine weiße Decke über die Burgruine legen und die Musik, den Gesang, das Gelächter und das Klappern der Holzsandalen auf dem Kopfsteinpflaster dämpfen.
    Galeazzo zog Constanza auf die Füße, und sie ging an seinem Arm über den Platz. Sie beschloß, sich das Bootsrennen auf dem Arno anzuschauen und dann nach Hause zu gehen und einen langen Brief an Maria zu schreiben. In ein paar Wochen wäre Thomas sicher wieder so weit hergestellt, daß er ihn nach Neapel bringen könnte. Das böte ihm Gelegenheit, etwas anderes zu tun, als im Haus herumzulungern und zuviel zu trinken.
    Galeazzo verließ sie kurz, um mit einem Musiker zu sprechen und ihm ein paar Münzen in die Hand zu drücken. Dann setzten sie ihren Weg zum Fluß fort. Ein rotschwänziger Teufel drängte sich vorbei, gefolgt von einer schimmernden Schlange. Einer von Galeazzos Freunden, dessen Fischbeinkorsett offenstand, fand für Constanza einen Platz am Brückengeländer. Als sie hinunterschaute, sah sie Galeazzo in eines der kleinen Ruderboote steigen, die wie Nußschalen auf dem Wasser schaukelten. Jedes war mit den Insignien und Farben seines Eigentümers gekennzeichnet. Das Publikum schrie Beifall, als der Wettstreit begann, bei dem die Teilnehmer rücksichtslos ihre Ruder einsetzten, um ihre Konkurrenten kampfunfähig zu machen. Fackeln beleuchteten die turbulenten Geschehnisse.
    Der inzwischen sinnlos betrunkene Galeazzo ruderte im Kreis. Sein Boot hüpfte auf den Wellen und wurde immer wieder von anderen Booten gestreift. Der Spielleiter schwenkte ein weißes Tuch und feuerte eine Hakenbüchse ab, woraufhin die Boote sich auf den Weg zur Brücke machten. Als sie in die Dunkelheit unter dem Brückenbogen eintauchten, bewegten sich die Zuschauer wie ein tausendfüßiges Wesen zur anderen Seite. Fremde rempelten Constanza an, ein unbekanntes Gesicht näherte sich dem ihren mit gespitzten Lippen, ein Mann fluchte, als sie beim Zurückweichen gegen ihn stieß, eine Hand tastete an ihrer Taille nach ihrer Geldtasche. An der Ecke, wo der blinde Junge gestanden hatte, schleuderten drei Jugendliche einen Hund, den sie in eine Decke gelegt hatten, immer wieder in die Luft.
    Auf dem Weg durch das Meer von Männern und Frauen hörte die Kurtisane plötzlich eine bekannte Stimme: »Wir treffen ihn in der Via San Domenico.« Sie gehörte dem jungen Notar Niccolo, doch als Constanza sich suchend umsah, konnte sie ihn nirgends entdecken. Auch Galeazzos andere Freunde waren wie vom Erdboden verschluckt. Als sie zum Fluß zurückschaute, sah sie Galeazzos Boot leer und mit hochgestellten Rudern auf dem Ufer liegen. Sie war schon ein ganzes Stück gegangen, als sie plötzlich die Richtung änderte. Sie hatte sich erinnert, wer in der Via S. Domenico wohnte: Serafina Capriani – die junge Frau, die Thomas Marlowe das Herz gebrochen hatte. »Es gibt andere Möglichkeiten, es herauszufinden«, hatte Galeazzo gesagt und sich damit auf Serafinas mögliche Schwangerschaft bezogen.

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