Serafinas später Sieg
empörten Blick entgegen, als er die Tür aufstieß, und ein Hausmädchen ließ mit einem leisen Schreckensschrei einen Stapel winziger weißer Kleidungsstücke fallen. Serafina, die mit einem kleinen Bündel im Arm in den Kissen saß, sagte gelassen: »Monsieur Marlowe – wie nett.«
Er grinste breit. Ohne sich um die finstere Miene der Amme zu kümmern, durchquerte er das Zimmer und setzte sich auf die Bettkante. Das Baby greinte, und Serafina erklärte: »Es ist ein Junge. Ich habe ihn Francesco genannt.« Und damit reichte sie Thomas das Kind.
Im Gegensatz zu vielen anderen Männern seines Alters war er nicht ungeübt darin, ein Baby im Arm zu halten. Nicht weil seine Bastarde die Docks von Greenwich bevölkerten, wie er zu Edward Whitlock gesagt hatte, sondern weil sein Bruder Robert, der ein häuslicher Mensch war, außer einem Gasthaus auch eine Frau und fünf Kinder sein eigen nannte.
Thomas' Kleider rochen nach Meer und Pech. Serafinas Sohn roch nach saurer Milch, Seife und Rosenwasser. Er hatte eine Saugblase auf der Oberlippe und einen schön geformten, aber völlig kahlen Kopf. Thomas versprach dem Kind, das seiner Überzeugung nach sein Sohn war, im stillen das Meer, ein Schiff und alle Schätze, die die Welt zu bieten hatte. »Er hat eindrucksvolle Fäuste«, stellte er lächelnd fest. »Wenn Sie nicht aufpassen, wird er seinen Lebensunterhalt auf Jahrmärkten verdienen anstatt mit dem Seidenhandel.« Er drückte das Kind einen Moment lang zart an sich und gab es, als es sich sträubte, mit den Ärmchen durch die Luft ruderte und zu weinen begann, seiner Mutter zurück. Natürlich mußte er durch die für ihn unvorhergesehenen Umstände davon absehen, Serafina die Kingfisher zu zeigen, und so machte er sich daran, sie ihr ausführlich zu beschreiben. Ein weicher Schimmer lag in ihren Augen, und ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, als er sagte, sie könne nun eine genaue Liste ihrer Kontakte in Neapel und der benötigten Dinge aufstellen. Als ihre Lider sich schließlich schlossen, blieb er noch eine Weile still sitzen und schaute auf die beiden hinunter – auf das Kind in der Wiege und auf Serafina, deren dunkle Haare ihr blasses, aber gelöstes Gesicht umrahmten. Zum ersten Mal, seit er sie kannte, wirkte sie zufrieden.
Eine Woche später verlas der Notar in dem Salon, in dem Serafina Thomas seinerzeit über ihre Heirat informiert hatte, Jacopo Caprianis Testament. Serafina, die bereits ihre zierliche Figur wiedergewonnen hatte, saß in einem strengen schwarzen Kleid mit niedergeschlagenen Augen und gefalteten Händen da. Sie rührte sich nicht, als der Notar ihr eröffnete, daß sie nun als Mutter und Beschützerin von Francesco Capriani Häuser in Pisa, Neapel und Marseille besitze, und sie zeigte auch keinerlei Reaktion, als die gelangweilte Stimme herunterleierte, was der Kaufmann seiner Frau und seinem Sohn außerdem noch hinterließ. Doch als sie schließlich begriff, wieviel Geld auf verschiedenen Banken, in Truhen und Geldtaschen lag, begann ihr Herz wie ein Hammer zu schlagen.
Sie wußte, daß Jacopo Capriani sein ganzes Leben lang hart gearbeitet hatte, aber sie hatte keine Vorstellung davon gehabt, wieviel er damit verdient hatte. Das verwahrloste Haus und seine fadenscheinigen Kleider waren Ausdruck seiner Gleichgültigkeit gegenüber Äußerlichkeiten gewesen. Den Kaufmann hatte nur eines interessiert: Geld zu horten. Er hatte sich sogar geweigert, einen Arzt zu bezahlen, der vielleicht sein Leben hätte verlängern können. Sein Geiz bescherte Serafina nun ein Barvermögen von mehr als fünfzigtausend Florin. Ein berauschendes Hochgefühl ergriff von ihr Besitz. In den dunklen Tagen nach Galeazzo Merlis Possenspiel, als eine Frühgeburt drohte, hatte sie all ihre Hoffnungen schwinden sehen. Ein quälendes Gefühl der Hilflosigkeit hatte sich auf sie gelegt wie eine schwarze Wolke, die ihr den Atem nahm. Die Geburt ihres gesunden Sohnes hatte eine Zentnerlast von ihrer Seele genommen, doch erst jetzt fühlte sie sich wirklich frei: Jacopos Vermögen versetzte sie in die Lage, all ihre Pläne zu verwirklichen.
Der Notar hatte aufgehört zu lesen, stand auf und verbeugte sich. Die Angestellten und Bediensteten, die an den Wänden aufgereiht standen, begannen mit den Füßen zu scharren und zu husten. Serafina erhob sich. Thomas Marlowe lehnte, den unvermeidlichen schwarzen Filzhut in den Händen, in einer Ecke des Raumes und lächelte ihr entgegen, als sie auf ihn zukam. Sie
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