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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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faßte ihn am Ärmel und zog ihn mit sich hinaus.
    Als sie allein waren, sagte Serafina: »Ich habe Ihnen doch eine Liste für Neapel gegeben, Thomas. Kaufen Sie von allem, was darauf aufgeführt ist, die doppelte Menge.«
    In der morgendlichen Rekreationszeit, die der Konvent in Neapel seinen Insassen gestattete, versuchte Maria Garzoni verzweifelt, das blaßgraue Oberteil ihres Kleides mit Regenwasser und ihrer Haarbürste zu reinigen. Es war durch schwarze Flecken verunziert. Bisher waren sie noch nicht bemerkt worden, da Schwester Teresa, die sie zuvor wegen ihres ungebührlichen Verhaltens gescholten hatte, unter Kurzsichtigkeit litt, und da sie Maria günstigerweise gezwungen hatte, sich ein Blatt Papier an den Busen zu stecken, das die Flecken verdeckte. »Ich habe in der Stickstunde geschwätzt« hatte Maria darauf schreiben müssen. So kam es, daß ihre Verfehlung vom Vortag die heutige verbarg, und diese Tatsache festigte Marias Glauben an einen gnädigen Gott. Doch beim abendlichen Appell würde das Papier entfernt – von Schwester Bonaventura, vor der sogar Maria Ehrfurcht hatte – und ihr Verbrechen offenkundig. Schwester Bonaventura hatte den unangenehmen Ehrgeiz, allen Dingen auf den Grund zu gehen, und Maria, die unfähig war zu lügen, konnte sich gut vorstellen, wie die Nonne reagieren würde, wenn sie ihr die Herkunft der schwarzen Flecken offenbarte. Sie rührte nicht etwa von Farbe her, sondern von Kahveh. Maria war vor einigen Tagen, nachdem sie sich mit Schwester Teresas Erlaubnis neue Handschuhe in der Stadt gekauft hatte, zu den Docks hinuntergegangen, und dort hatte ihr ein Mann Kahvehbohnen gegeben. Nicht, daß sie ihn darum gebeten hätte – nein, sie hatte nur voller Bewunderung die Schlangen und Bäume betrachtet, die auf seinem Oberkörper tätowiert waren. Darüber freute er sich so, daß er in einen Sack griff und ihr eine Handvoll Bohnen schenkte. Es geschah nicht selten, daß Leute ihr etwas schenkten. Maria konnte sich denken, was Schwester Bonaventura sagen würde, wenn sie es erführe, aber Maria wußte, daß keine böse Absicht dahintersteckte. Die Menschen – Männer ebenso wie Frauen – mochten sie, weil sie freundlich mit ihnen sprach und ihnen ein gutes Gefühl gab. Das war es, wonach sie sich sehnten.
    Die Bohnen waren so ziemlich das seltsamste Geschenk, das sie bisher bekommen hatte. Der Seemann hatte darauf gedeutet und »Kahveh!« gesagt. Dann tat er, als trinke er, und leckte sich anschließend die Lippen, als habe es ihm gut geschmeckt. Und so bemühte sich Maria in den frühen Morgenstunden vor dem Weckläuten, ein Getränk aus den Kahvehbohnen zu bereiten. Sie versuchte sie zu mahlen wie Getreide, doch sie hüpften immer wieder aus der Waschschüssel und durch das ganze Zimmer. Als sie endlich doch eine Art grobkörniges Pulver hergestellt hatte, vermischte sie es mit Wasser und trank. Es schmeckte so abscheulich, daß sie den Becher fallen ließ, und sein Inhalt sich über das Oberteil ihres Kleides und den Fußboden ergoß. Sie ließ oft etwas fallen, und bekam entsprechend oft Ärger. Auch sonst wurde sie häufig gerügt. Ihre Stickarbeit, tadelte Schwester Bonaventura mehrmals, sähe aus, als sei eine Krähe über den Stoff gelaufen. Und bei diesen Gelegenheiten hielt Schwester Bonaventura ihr als leuchtendes Beispiel die herrliche Altardecke vor, die ihre Mutter gestickt habe. Maria, die wußte, daß Mama das blöde Ding hatte anfertigen lassen, senkte dann scheinbar beschämt den Kopf und ließ ihre Gedanken zu dem schönen Klostergarten oder den Schiffen im Hafen hinauswandern.
    Im Augenblick jedoch vermochten nicht einmal die knospenden Rosen und duftenden Lilien um sie herum, der blaue Himmel über ihr und die im Sonnenschein glitzernde Fassade der Kirche S. Chiaro ihre Stimmung zu heben. Der Gedanke an die bevorstehende Rüge veranlaßte sie, mit zitternden Lippen ein Stoßgebet gen Himmel zu schicken, während sie sich weiterhin abmühte, die dunklen Flecken zu entfernen.
    Gott, von dem Maria wußte, daß er gut und gnädig war, erhörte ihr Flehen umgehend. Schritte wurden laut, und Maria steckte sich eiligst wieder den Zettel an die Brust. Gerade hatte sie die Haarbürste in die Tasche geschoben, als Schwester Esmeralda erschien. Maria atmete auf: Esmeralda war ihre beste Freundin. Wie immer war das Mädchen außer Atem, und ihre Wangen leuchteten erhitzt.
    »Du hast Besuch!« erzählte sie aufgeregt. »Schwester Bonaventura hat mich geschickt,

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