Serafinas später Sieg
Würde sie es auch irgendwann glauben? Sie zwang sich, an etwas anderes zu denken, an die Seide, die im Hafen auf sie wartete, an Angelo, der sich mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten herumschlug, und an Thomas, der nach Neapel gesegelt war, um die Seidenartikel einzukaufen, die noch immer die Säulen darstellten, auf denen die Firma Capriani ruhte. Die Weber – erst eine Handvoll, aber es würden bald mehr sein – harrten der Rohseide, die die Kingfisher ebenfalls mitbringen würde.
Ihre Gedanken kehrten zu ihrem Sohn zurück. Gab sie ihn wirklich nur weg, um bösartigen Klatsch zu vermeiden – oder weil er ihr im Weg war? So schmerzhaft es auch für sie sein mochte, sie war immer ehrlich zu sich selbst. Bei ihrem Kampf gegen Angelo wäre Francesco hinderlich, daran gab es nichts zu deuten, aber sie beruhigte ihr Gewissen damit, daß sie den Jungen wieder zu sich nehmen würde, sobald sie ihren Besitz zurückgewonnen hätte.
Thomas fand die Fiametta in Civitavecchia, dem Haupthafen des Kirchenstaates. Vier Tage lang hatte er jeden Hafen überprüft, an dem er vorbeikam, und dann beschlossen, falls nötig noch bis Genua zu reiten. Er würde sich vierzehn Tage für die Suche einräumen, dieses eine Mal müßte Serafina warten.
Die Fiametta lag unterhalb des Klotzes der Michelangelo-Festung vor Anker – halb verborgen unter den vorspringenden Bastionen der Burg. Die üppige Vergoldung, die Maria aufgefallen war, ließ die anderen Schiffe um sie herum verblassen. Thomas stieg vom Pferd und führte es am Zügel. Die Sonne tauchte den Himmel mit ihren letzten Strahlen in ein zartes Rosa. Die Wut, die Thomas in Zakynthos empfunden hatte, war im Laufe der Zeit schwächer geworden, aber nie erloschen, und jetzt kochte sie wieder hoch. Als er sich dem Schiff näherte, erschien vor seinem geistigen Auge die Silhouette, die damals mitten in der Nacht auf offener See aus dem Nichts aufgetaucht war. In Blattgold zog sich der Name Fiametta am Bug entlang, die Wimpel hingen schlaff in der Abendluft. Die Decks wurden geschrubbt, Segel repariert und Taue überprüft – auf der Galeone herrschte rege Betriebsamkeit. Nur den Kapitän konnte Thomas nirgends entdecken, den Mann, dem es gelungen war, einen Handel zwischen dem Gouverneur von Zakynthos und einem algerischen Korsaren zu vermitteln.
Die Fiametta war größer als die Kingfisher und mit ebensoviel Gold verziert wie die Galeeren des Herzogs der Toskana. Sie glänzte im schwindenden Tageslicht, so wie sie seinerzeit im Mondlicht geglänzt hatte. Mit Wimpeln geschmückt, wie eine Stadt an einem Feiertag, überstrahlte sie sogar die Pracht der Galeeren, die am anderen Ende des Hafens angedockt lagen. Doch als Thomas an ihr entlangging, stellte er fest, daß ihre Schönheit nur oberflächlich war. Ein ungeübtes Auge ließ sich sicherlich blenden, aber er entdeckte bei näherem Hinsehen Risse in der Kalfaterung, Ritzen, durch die das Meerwasser eindringen konnte und die Planken mit der Zeit faulen lassen würde. Für die so wenig gewissenhafte Ausführung einer solch wichtigen Arbeit hätte ein Kalfaterer bei Thomas mit einer Tracht Prügel rechnen müssen
Auch das Bauholz war nicht von erster Qualität. Thomas beglückwünschte sich im stillen, sich erniedrigt und Schulden gemacht zu haben, um das beste Holz kaufen zu können. Der Besitzer der Fiametta war nicht so gewissenhaft gewesen. Die Balken waren schon jetzt leicht verzogen.
Von oben rief eine Stimme: »Suchen Sie jemanden, Monsieur?« Ein Seemann beugte sich über die Reling.
Thomas schwenkte mit einem Lächeln grüßend seinen Hut und antwortete: »Ich möchte ein Schiff mieten – für eine Reise nach Toulon. Segelt ihr nach Toulon?«
»Wir kommen auf dem Weg nach Marseille daran vorbei.« Der Matrose wrang einen Lappen aus, den er in der Hand hielt, und beäugte Thomas neugierig. »Aber der Kapitän vermietet sein Schiff nicht.«
Dafür hatte Thomas größtes Verständnis, auch er würde seinen Augapfel nicht in fremde Hände geben. »Wie heißt denn euer Kapitän?« fragte er, sorgfältig darauf bedacht, kein übergebührliches Interesse zu zeigen.
»Guardi«, erwiderte der Seemann. »Monsieur Guardi ist auch der Eigentümer der Fiametta .«
Thomas hatte das Gefühl, einen Schlag in den Magen bekommen zu haben. Er hatte gedacht, die Fiametta gehe nur ihn etwas an, und jetzt stellte sich heraus, daß sie Serafinas Erzfeind gehörte! Mit Riesenschritten eilte er die Gangway hinauf und über das
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