Serafinas später Sieg
grinste: »Das schadet ihm gar nichts. Er hat ohnehin viel zuviel Erfolg bei den Mädchen, und das wirkt sich ungünstig auf seinen Fleiß aus.«
William Williams erschien auf dem Besandeck und streckte die Hand aus, um Maria vom Kanonendeck heraufzuhelfen. Marias Kleid, in aller Eile am Vormittag geschneidert, war aus hellblauem Stoff – und zu Constanzas Überraschung immer noch sauber.
»Thomas!« Es lag ein Drängen in seiner Stimme, das Constanza aufhorchen ließ. »Signorina Garzoni hat die Fiametta gesehen: Sie lag vor ein paar Tagen hier im Hafen!«
Thomas wandte sich an Constanzas Tochter: Sie sind sicher, daß das Schiff Fiametta hieß, Signorina?« Sein Ton war scharf, die Zufriedenheit, die auf seiner Miene gelegen hatte, war einer angespannten Neugier gewichen. »Ja – ich bin sicher«, nickte Maria. »Es war eine Galeone wie diese hier, aber mit viel mehr Gold. Ich habe mir den Namen gemerkt, weil ich es merkwürdig fand, daß es ein italienischer war, obwohl sie unter französischer Flagge segelte.«
Thomas zog hörbar den Atem ein und tauschte einen schnellen Blick mit dem Zimmermann.
»Ich sah sie an dem Tag, als der Seemann mir die Kahvehbohnen schenkte. Die Fiametta war gerade fertig beladen worden, und wir schauten zu, wie sie auslief.«
Thomas' Augen glänzten hart wie Saphire. »Wissen Sie noch, welche Richtung sie einschlug, Signorina? Norden oder Süden?«
»Norden«, antwortete das Mädchen, ohne nachzudenken.
In der anschließenden Stille fragte sich Constanza, welche Bedeutung ein französisches Schiff namens »Fiametta« für Thomas haben könnte. Als habe er ihre Gedanken gelesen, sagte er vage: »Ich habe eine Angelegenheit mit dem Kapitän zu regeln. Nichts Wichtiges – aber es ist schon lange überfällig.«
Er griff in seine Tasche, und zog eine Liste und eine Geldbörse heraus und gab beides William Williams. »Ich werde ein paar Tage weg sein, Will. Die meisten Dinge auf der Liste habe ich bereits erledigt, bitte mach du den Rest. Constanza«, er wandte sich ihr zu. Sie hatte ihm die Erklärung, es handle sich um eine unwichtige Angelegenheit, nicht abgenommen, dazu kannte sie ihn zu gut, und jetzt bekam sie die Bestätigung dafür, daß sie sich nicht geirrt hatte: »Ich werde nach Norden reiten und versuchen, die Fiametta in einem Hafen abzufangen. Es macht Ihnen sicher nichts aus, ein paar Tage länger in Neapel zu bleiben als geplant«, fügte er mit einem Blick auf Maria hinzu. »Rufus und William stehen Ihnen jederzeit als Begleiter zur Verfügung, wenn Sie männlichen Schutzes bedürfen.«
Constanza nickte lächelnd und reichte ihm die Hand. Als er sich darüber beugte und ihre Fingerspitzen küßte, mahnte sie: »Seien Sie vorsichtig, Thomas, und tun Sie nichts Unüberlegtes.«
Auf Francescos Kopf kringelten sich die ersten schwarzen Löckchen, und seine Augen leuchteten indigoblau. Sie waren nicht, wie die Amme angenommen hatte, zur Farbe seiner Eltern nachgedunkelt – weder zu Jacopos blassem Braun noch zu Serafinas dunklem. Serafina, die mit ihrem nun schon sechs Wochen alten Sohn auf dem Schoß am Fenster saß, wußte, daß sie noch heller werden würden, bis sie die Farbe des toskanischen Sommerhimmels hätten.
Sie hatte ihn gerade gestillt. Noch glänzte ein wenig Milch auf seinen Lippen, als sie ihr Mieder wieder schloß. Sie waren allein im Salon. Auf der Straße herrschte reges Treiben. Der Arno glitzerte in der Sonne, im Hafen ragten die Masten der Handelsschiffe in die klare Frühlingsluft. Sie brachten jetzt wieder Seide – und täglich wurde Ballen um Ballen entladen.
Serafina wußte, daß das, was vor ihr lag, unvermeidlich war, doch die Vorstellung, sich von ihrem Kind trennen zu müssen, zerriß ihr das Herz. Sie hatte das Baby zuerst nicht gewollt und dann lediglich als Garant für ihre wirtschaftliche Sicherheit betrachtet, aber inzwischen fühlte sie sich ihm so verbunden, als habe die Hebamme die Nabelschnur nicht durchschnitten.
Die verräterischen Augen ihres Sohnes schlossen sich, und die kleinen Fäuste, die kurz zuvor noch wild durch die Luft fuchtelten, öffneten sich wie fünfblättrige Blüten. Ein letzter Tropfen Milch rann seitlich aus den leicht geöffneten Lippen. Serafina tupfte ihn behutsam mit einem Spitzentaschentuch weg. Dann stand sie vorsichtig auf und legte den Jungen widerstrebend in die Wiege. Mit tränenblinden Augen deckte sie ihn liebevoll zu.
Es ist zum Besten des Kindes, sagte sie sich zum hundertsten Mal.
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