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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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hatte Charles de Casaulx ihn noch geschürt. Angelo sah sich plötzlich bedroht und in Gefahr, alles zu verlieren, wozu er sich die Grundlage erschwindelt und in der Folge schwer erarbeitet hatte. Er büßte einige Kunden ein sogar einige der langjährigen. Kunden, die der Firma auch nach dem Tod von Franco Guardi treu geblieben waren, schüttelten nun die Köpfe und murmelten etwas von Bankrott und nicht abgesicherten Schulden. Ein weniger starker Mann als Angelo wäre in Panik geraten und hätte aufgegeben.
    Als sein Pferd vorsichtig durch das kristallklare Wasser eines Baches watete, und er die weiche, laue Luft einatmete, gratulierte Angelo sich im stillen dazu, daß er kein schwacher Mann war. Wenn er aufgegeben hätte, ritte er jetzt nicht nach Florenz, um einen der wohlhabendsten Kaufleute der Stadt aufzusuchen. Nein – er hatte nicht aufgegeben. Im Gegenteil, er hatte geborgt, gebettelt und geschachert, und mit dem Geld die Fiametta gebaut. Sie war aus drei Gründen wichtig: als Mittel, den Eindruck von Solvenz zu erwecken; zum schnelleren und sicheren Transport der Stoffe; und – und das war von allergrößter Bedeutung – um das Mädchen zu beeindrucken, das er zu heiraten beabsichtigte. Er hatte seine zukünftige Frau noch nicht kennengelernt, sein Ansinnen bisher nur ihrem Vater unterbreitet, doch er wußte, daß sie neunzehn Jahre alt, blond und noch nicht verlobt, daß die Schönheit ihrer Mutter, Giulia, in aller Munde war, und daß sie eine dreizehnjährige Schwester namens Nencia hatte, – aber keinen Bruder. Letzteres war es, was Angelo bewogen hatte, sich dem reichen Signor Lorenzo Nadi als Schwiegersohn anzutragen. Der Kaufmann hatte seine Tochter als »schön« beschrieben, doch Angelo hegte entschiedene Zweifel an dieser Aussage. Schöne Mädchen waren mit neunzehn Jahren im allgemeinen bereits verheiratet. Doch Angelo hätte sein Schiff auch nach ihr benannt, wenn sie häßlich wie eine Hexe gewesen wäre, denn ihm kam es nur auf eines an, auf das Vermögen, das sie eines Tages erben würde. Er plante seine Heirat ebenso nüchtern wie seinerzeit die Übernahme des Guardi-Tuchhandels. Er würde immer alles tun, um zu überleben.
    Dazu gehörte eben auch eine sorgfältige Planung. Seit seiner Kindheit hatte Angelo geplant und jede Situation zu seinem Vorteil gewendet. Als mittellose, uneheliche Waise hatte er sich dank seiner Intelligenz und seines Charmes sehr bald im Hause Guardi unentbehrlich gemacht. Er nahm die Stelle des Sohnes ein, der Franco nicht vergönnt gewesen war, fungierte als Bevollmächtigter und Verwalter und segelte an Francos Seite durch jeden Sturm. Er arbeitete Tag und Nacht – manchmal sogar feiertags –, und schließlich vertraute Franco Guardi ihm für die Dauer seiner Abwesenheit, die Serafinas Verlobung bedingte, die Geschäftsleitung und das Haus in Marseille an. Zu diesem Zeitpunkt war Angelo längst der Ansicht, daß der Guardi-Besitz, wenn schon nicht von Gesetzes wegen, so doch mindestens moralisch gesehen, ihm gehörte.
    Als sie den bewaldeten Hang eines Hügels hinaufritten, fiel Angelos Blick auf den vor ihm reitenden Jehan de Coniques, der sich immer wieder vorbeugte, um tiefhängenden Ästen auszuweichen, wobei er jedesmal lästerlich fluchte. Der Notar war in letzter Zeit nur noch beim Aufwachen nüchtern, denn das einzige Mittel gegen Kopfschmerzen, die Übelkeit und das Händezittern befand sich in der Flasche, die er beim Einschlafen abends griffbereit neben sich legte. Es war noch nicht Mittag, doch Angelos Spießgeselle hing bereits beängstigend schief im Sattel und sang zwischen seinen Schimpfkanonaden schlüpfrige Lieder.
    Früher einmal hatten sie ein gemeinsames Ziel gehabt. Beide Stiefkinder des Schicksals, hatten sie sich ihrer Intelligenz bedient, um es zu etwas zu bringen, doch während Angelo ohne jegliches Schuldbewußtsein oder Bedauern auf seine Tat zurückblickte, schien Jehan die seine von innen aufzuzehren, so daß sein Gesicht schon bald wie von einer schweren Krankheit gezeichnet wirkte. Sie hatten den Wald hinter sich und ritten den Hügelkamm entlang. Unter ihnen lag Florenz. Angelo schaute bewundernd auf die Kuppel der Kathedrale und den hohen, schlanken Glockenturm hinunter. Das Sonnenlicht ließ das Wasser des Arno wie ein glitzerndes Mosaik erscheinen. Durch Franco Guardis Tod hatte Angelo wertvolle Kontakte zur florentinischen Seidenindustrie verloren, doch durch seine Heirat mit Fiametta Nadi würde er diese Kontakte

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