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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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auszurutschen und hinzufallen. Er passierte das bereits geschlossene Badehaus und steuerte auf die armenische Taverne zu, wobei er sich an die Wegbeschreibung des Einpeitschers der Galeere seines langjährigen Bekannten hielt, die dieser ihm im Hafen gegeben hatte. Als er fast am Ziel war, glaubte er, Schritte hinter sich zu hören, doch als er sich umdrehte, sah er niemanden.
    Der Gastraum war niedrig, nur spärlich beleuchtet und an drei Wänden standen die üblichen, mit Kissen belegten Bänke und Holztische. Rauchwolken von Pfeifen und Nargilehs schwängerten die Luft mit den schweren Düften von Haschisch und Opium. Das Publikum setzte sich aus Seeleuten, Armeniern und Juden zusammen – und einer Gruppe türkischer Soldaten, die an einem Ecktisch saßen. Ihre hohen Zuckerhutturbane berührten fast die Decke.
    Nach der Stille auf der Straße traf Angelo der Lärm in der Taverne wie ein Schlag. Die Musik des Zimbalspielers ging in lautstarken Unterhaltungen, kreischendem Frauengelächter und den Rufen nach Wein und Tabak unter. Nur die Opiumraucher saßen traumverloren da und schwiegen.
    Angelo, in roten Samt mit schwarzem Besatz gekleidet, blieb in der Tür stehen und ließ den Blick langsam durch den Raum wandern. Eine Frau in den viellagigen, leuchtenden Gewändern, wie die Armenierinnen sie vorzugsweise trugen, trat auf ihn zu und berührte seinen Arm. Er schüttelte lächelnd den Kopf: Das hatte Zeit. Der Mann, den er suchte, saß im hinteren Teil des Gastraums. Er war nach Moslemart gekleidet und etwa fünfzehn Jahre älter als Angelo.
    »Bruder«, begrüßte er den Ankömmling mit einer angedeuteten Verbeugung, ohne aufzustehen. Sein Name war Hamid, und die Beziehung zwischen ihm und dem Franzosen war ursprünglich nur auf gegenseitigen Nutzen gegründet gewesen, doch im Laufe der zehn Jahre seit ihrem Kennenlernen hatte sich zwar keine Freundschaft zwischen ihnen entwickelt, dank ihrer Seelenverwandtschaft jedoch eine gegenseitige Achtung.
    »Wein?« fragte Hamid. »Tabak? Haschisch?« Der Korsar rauchte eine Nargileh, eine Art Pfeife, die aus einem Mundstück und einem biegsamen Schlauch bestand, der in eine Kristallschale führte, in der sich entweder Tabak, Haschisch oder Opium befand. Angelo nahm ihm gegenüber Platz. »Wein«, sagte er. Hamid schnippte mit den Fingern, und gleich darauf wurde eine Karaffe auf den Tisch gestellt. Bereits der erste Schluck milderte die Anspannung der letzten Monate, und das Bild von Jehans Leiche, das Angelo seit Florenz verfolgte, begann zu verblassen. Er fing wieder an zu glauben, das Schicksal nach seiner Musik tanzen lassen zu können.
    »Wie geht es deinem schönen Schiff, Bruder?« fragte Hamid. Sie hatten sich seit Zakynthos nicht mehr gesehen, und jenes Treffen war für Angelo äußerst peinlich gewesen, doch es stand kein Spott in den Augen des Türken – nur Interesse und beinahe Zuneigung, und der Mund mit den schwarzen Zahnstummeln lächelte freundlich.
    »Die Fiametta ist in gutem Zustand«, antwortete Angelo. »Sie hat viel Gold geladen, das in den glorreichen Städten der Levante ausgegeben werden wird.«
    Die Augen des Korsaren flackerten. Er strich sich über seinen ergrauten Bart. »Soll ich dich überfallen, Bruder? Soll ich meine Kanonen auf dein prachtvolles Schiff richten und dir das Gold rauben?«
    Die Soldaten in der Ecke hatten einen mißtönenden Gesang angestimmt. Der Zimbalspieler saß noch immer über sein Instrument gebeugt in der Mitte des Raumes, aber nur er hörte seine Melodie noch. Ein Mann setzte sich neben Hamid, und Angelo studierte mißtrauisch das ihm unbekannte Gesicht, die fleckige Jacke und den verbeulten Filzhut. Ein europäischer Matrose, schloß er und entspannte sich. »Bruder«, wandte er sich wieder an den Korsaren, »deine schwachen Bâtards könnten den Rumpf der Fiametta nicht durchschlagen, und deine Ruderer hätten keine Chance gegen ihre Segel.«
    Hamids hageres, wettergegerbtes Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. »Ich würde deine Galeone niemals versenken wollen«, sagte er. »Ich würde sie mit nach Hause nehmen und genau untersuchen, um festzustellen, wie sie gebaut ist.« Der Fremde, der neben ihm saß, hatte sich ebenfalls Wein bestellt und trank bereits das zweite Glas. Angelo lächelte geschmeichelt. »Hast du vor, deine Galeeren abzuschaffen?« Hamids Pfeifenrauch verströmte einen Duft von Tabak und Haschisch. Angelo atmete den berauschenden Geruch ein und dachte wieder einmal, wieviel klüger die

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