Serafinas später Sieg
sonst noch gehört hatte, verschwieg er tunlichst: Daß das Verhältnis zwischen der Witwe und dem Steuermann erheblich über das Geschäftliche hinausgehe, daß die ehemalige Küchenhilfe den alten Jacopo wegen seines Geldes umgarnt und geheiratet und ihn dann innerhalb eines Jahres ins Grab gebracht habe – und daß sie eine Hexe sei. Thomas hätte ihn sicherlich niedergeschlagen, wenn er diesen bösartigen Klatsch in seiner Gegenwart wiederholt hätte. Er wechselte das Thema. »Ich werde bald einigen Einfluß bei der Gesellschaft haben, Thomas. Sobald ich nach London zurückkomme, heirate ich Dorothy Jenkins – Sie wissen, wie lange wir schon darauf warten –, und sie möchte, daß ich die Anteile verwalte, die sie von ihrem Vater geerbt hat. Ich werde der Seefahrt adieu sagen – meine Sehkraft wird immer schwächer. Ich will die Kingfisher immer noch haben, Thomas, und ich will, daß Sie sie steuern.« Er sah, daß Thomas den Mund zu einer Absage öffnete, und legte eilends die verführerischste Karte auf den Tisch. »Das Mittelmeer wird immer gefährlicher, wie Sie wissen. Zu viele Banditen und Briganten. Wir müssen uns nach anderen Routen umsehen – um Afrika und Nord- und Südamerika herum. Wir brauchen Navigatoren mit Phantasie und Erfahrung.«
Thomas sagte nichts, doch John sah ihm an, daß sein Landsmann nicht mehr in einem Herbergszimmer in Aleppo saß, sondern auf dem Ozean auf der Brücke seines Schiffes stand, wo es nicht nach Kahveh, Haschisch und Kamelmist roch, sondern nach Pech und Salz, und der Wind als einziges Instrument zur Unterhaltung aufspielte. Manche Männer verloren dort draußen den Verstand – andere wurden süchtig danach, wie ein Pfeifenraucher nach Opium. Dennoch schüttelte Thomas den Kopf. »Es tut mir leid, John. Ich finde den Gedanken natürlich sehr reizvoll, aber ich bin vorläufig nicht abkömmlich.«
Offenbar übte die italienische Witwe eine noch größere Faszination auf ihn aus als die Aussicht darauf, neue Seewege zu erkunden und fremde Länder zu sehen. Doch John hoffte zuversichtlich, daß Thomas bald zur Vernunft kommen würde. Ein Mann wie Thomas könnte einer solchen Versuchung auf Dauer nicht widerstehen.
»Ich bin nicht nur zum Schwatzen zu Ihnen gekommen«, sagte Thomas plötzlich. Aha, dachte John, jetzt würde er den zweiten Teil der Wahrheit erfahren. »Mein Hauptanliegen ist, Sie zu warnen, als Gegenleistung dafür, daß Sie mich in Livorno aus dem Hafenbecken gefischt haben.«
John sah ihn scharf an. »Mich zu warnen?«
»Ja. Als ich letztes Jahr für Sie nach Livorno segelte, ereignete sich ein kleiner Zwischenfall.« Mit wenigen Worten schilderte er den Vorfall und die Zusammenhänge. Als er geendet hatte, sagte John Keane: »Es ist wirklich so, wie ich sagte: Das Mittelmeer wird immer gefährlicher.«
»Der Grund, weshalb ich Ihnen die Geschichte erzählt habe, ist, daß die Fiametta in Scanderoon liegt – und das türkische Schiff ebenfalls und daß ich vorhin eine höchst interessante Unterhaltung zwischen Angelo Guardi und seinem heidnischen Freund mit anzuhören Gelegenheit hatte.« Er rekapitulierte das Gespräch. John Keane fluchte ausgiebig. »Es könnte also sein«, setzte Thomas hinzu, »daß Ihre Heimreise nicht so eintönig verläuft wie die Herfahrt.« Er stand auf und streckte Keane zum Abschied die Hand hin. »Seien Sie vorsichtig.«
»Er ist so nett«, schwärmte Maria und schnalzte mit der Zunge, um den Papagei auf sich aufmerksam zu machen, der neben einem Marktstand auf einer Stange saß und sich aus Langeweile eine Schwanzfeder nach der anderen ausriß. »Und der Verkäufer will nur zehn Dukaten für ihn haben«, fügte sie eifrig hinzu und schaute Serafina flehend an. Zum ersten mal seit langer Zeit schien die Sonne. Sie hatte viele Bewohner von Pisa aus ihren Häusern gelockt, und auf den Straßen herrschte reger Betrieb. Maria atmete die berauschende Luft ein, die vom nahenden Frühling kündete, und betrachtete wieder den Papagei. »Leas Junge sind alle gestorben, und sie ist ganz unglücklich. Sie braucht Gesellschaft.«
Lea war die Katze, die William Williams ihr vor seinem Aufbruch nach Aleppo geschenkt hatte. Der Papagei stieß einen lästerlichen Fluch aus. »Ein Vogel ist wohl kaum die richtige Gesellschaft für eine Katze«, lächelte Serafina. »Und außerdem würde Francesco ein schreckliches Vokabular von ihm lernen.«
»Oh!« Maria, die niemals lange gedrückter Stimmung war, hielt dem Papagei eine
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