Serafinas später Sieg
Haselnuß hin, die er mit einer deftigen Beschimpfung annahm. »Wahrscheinlich haben Sie recht. Aber Thomas würde ihn mögen. Seeleute mögen Papageien.«
»Seeleute«, gab Serafina zu bedenken, »haben nach einer langen Reise gerne etwas Ruhe und freuen sich nicht über ein lärmendes Tier, das sie jedesmal, wenn sie ins Zimmer kommen, mit Unflätigkeiten empfängt.«
Maria ließ sich zu dem Stand fortziehen, an dem es bunte Bänder gab, und schaute zu, wie Serafina die Stoffstreifen durch die Finger gleiten ließ und ungeduldig Bündel um Bündel beiseite legte, weil keines ihren Qualitätsansprüchen entsprach. Als Maria es leid war, ihre Freundin zu beobachten, entfernte sie sich ein paar Schritte und schaute zu dem wolkenlosen Himmel hinauf, und ihre Gedanken wanderten weit hinaus übers Meer. Wann würde die Kingfisher endlich zurückkommen! Sicherlich erst in ein paar Monaten. Sie konnte es kaum erwarten, denn nach seiner Rückkehr würden William Williams und sie heiraten. Sie hatte es ihrer Mutter noch nicht erzählt, da sie sich nicht schon jetzt ihren besorgten Einwänden aussetzen wollte. Constanze wirkte in letzter Zeit ohnehin ständig bedrückt, und Maria wollte ihr nicht noch zusätzliche Sorgen bereiten. Sie besuchte sie häufig und versuchte sie aufzuheitern, doch selbst die lustigsten Geschichten über Francesco vermochten ihr kaum ein Lächeln zu entlocken. Einmal hatte die Mutter ein zugeschwollenes Auge und einen großen Bluterguß auf der rechten Wange gehabt. Maria hatte Constanza in den Arm genommen und ihr dann einen Umschlag auf das Auge gelegt, jedoch nicht nach der Ursache für ihren schlimmen Zustand gefragt sie wußte, daß es Dinge gab, über die ihre Mutter niemals sprechen würde.
Sie hörte Schritte hinter sich, und dann sprach jemand sie an. Im ersten Moment konnte sie den Mann nicht einordnen, doch dann erkannte sie ihn: Es war Signor Merli, Mamas Freund.
Der feine Herr nahm seinen Federhut ab und verbeugte sich. »Signorina Garzoni – welch unerwartetes Vergnügen.«
Maria lächelte den großen, kahlköpfigen Bankier an, wie sie alle Menschen anlächelte. »Guten Tag, Signor Merli«, sagte sie und knickste.
»Signorina Garzoni – Maria – darf ich Sie Maria nennen? Ich hätte nicht zu hoffen gewagt, daß Sie mich Wiedererkennen würden.« Auch Galeazzo lächelte. »Sie sind niemals da, wenn ich Ihre Mutter besuche.«
»Das liegt daran, daß ich jetzt bei Signora Capriani wohne«, erklärte Maria.
»Ach ja?« Sein Blick glitt zu Serafina, die mit dem Kurzwarenhändler über Güte und Preise seines Angebots diskutierte. »Ich wußte nicht, daß Ihre Familien so gut befreundet sind.«
»O doch, das sind wir.« Maria war mit halb Pisa befreundet, und Serafina hatte in ihrem Herzen den Platz der unglücklichen Esmeralda eingenommen. Sie versuchte Signor Merli, der merkwürdig verwirrt schien, die Verhältnisse zu erklären. »Signor Marlowe – der Mann, der die Kingfisher für Signora Capriani segelt – ist mit Mama befreundet und wußte, daß Signora Capriani jemanden suchte, der sich um ihren niedlichen kleinen Sohn kümmert.«
»Dann haben Sie also eine Stellung als Kindermädchen bei ihr.« Galeazzos Brauen hoben sich mißbilligend. »Ein so hübsches junges Ding wie Sie sollte nicht für seinen Lebensunterhalt arbeiten müssen.«
Maria hatte es noch nie als Arbeit betrachtet, mit dem Jungen zu spielen. »Francesco ist ein Schatz«, sagte sie. »Ich freue mich sehr, mit ihm zusammensein zu dürfen.«
Signor Merli lächelte wieder. »Wenn Sie es so sehen … Ist er ein gesundes Kind?«
In einiger Entfernung begann der Papagei zu krächzen und an der Eisenkette zu rütteln, mit der er an seinen Freisitz gefesselt war. »Natürlich ist er gesund«, antwortete Maria und sah im Geiste Francescos runde, rosige Wangen vor sich, den sie wie einen Bruder liebte. »Es ist zu schade, daß sein Vater ihn nicht mehr sehen konnte. Signor Capriani starb kurz vor der Geburt seines Sohnes, wissen Sie.« Was sie, als sie davon hörte, als sehr traurig empfunden hatte. Gottlob hatte Serafina den Schicksalsschlag, ihr Kind ohne Mann aufziehen zu müssen, inzwischen verkraftet, dachte Maria, die die wahren Gründe für die anfängliche Niedergeschlagenheit ihrer Freundin nicht kannte.
Galeazzo Merli ließ nicht locker. »Sieht der Kleine seiner Mutter ähnlich?«
Maria dachte nach. »Seine Haare sind so dunkel wie ihre«, sagte sie dann, »und den Mund hat er auch von ihr. Aber
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