Serafinas später Sieg
seine Augen sind blau.«
»Wirklich?« Galeazzo schaute wieder zu Serafina hinüber, die ihre Einkäufe gerade in einer Tasche verstaute. »Wie interessant.« Eine erste Wolke schob sich über die Sonne, und sofort wurde es merklich kühler, und die leuchtenden Farben des Marktes verblaßten. Signor Merli nahm Marias Hand und ließ seinen Daumen über die Innenfläche ihrer behandschuhten Hand gleiten. »Ich war gestern bei Ihrer Mutter. Es geht ihr nicht gut.«
Maria wollte ihre Hand wegziehen, doch er hielt sie fest. »Ist sie krank?« fragte sie alarmiert.
Er hob ihre Hand an seine Lippen. »Nun – ich glaube, Sie sollten sich mit dem Gedanken vertraut machen, daß sie nicht mehr lange für Sie sorgen können wird.« Seine Lippen berührten ihre Fingerspitzen und glitten dann an den Fingern entlang zur Handfläche. Maria war wie gelähmt – sowohl deswegen, was er tat, als auch deswegen, was er gesagt hatte. Serafinas Stimme riß sie aus ihrer Erstarrung. Sie war ebenso kalt wie der Wind, der plötzlich aufgekommen war und in die Abfälle unter den Verkaufsständen fuhr und Staubwolken aufwirbelte. »Es ist Zeit zu gehen,« sagte sie, ohne Galeazzo eines Blickes zu würdigen. »Die Leute, die man hier trifft, sind nicht alle nach meinem Geschmack.« Der Bankier ließ Marias Hand fallen, drehte sich grußlos auf dem Absatz um und ging mit großen Schritten davon. »Was wollte er von dir?« fragte Serafina in scharfem Ton.
Maria hatte Tränen in den Augen und zitterte. Signor Merli hatte ihr angst gemacht – in mehr als einer Hinsicht. »Er fragte, wieso ich nie zu Hause sei, wenn er zu Besuch käme«, flüsterte sie. »Und nach Francesco. Und dann sagte er noch, Mama sei krank.« Sie sah Wut in Serafinas Augen auflodern. Sie sieht noch zorniger aus als neulich, als sie entdeckte, daß ein Weber minderwertige Rohseide verarbeitet hatte anstatt der von ihr vorgeschriebenen, dachte Maria.
»Deine Mutter ist durchaus nicht krank«, erklärte Serafina aufgebracht. »Ich habe sie gestern gesehen. Sie wirkt ein wenig müde, das ist alles. Du solltest nicht mit Signor Merli sprechen, Maria, er ist kein Umgang für dich. Er taugt nichts.«
Marias Hand brannte, wo seine Lippen sie berührt hatten. Am liebsten hätte sie ihren Handschuh ausgezogen und ihn mit dem Absatz ihres Schuhs in den Straßenschmutz getreten. Tränen rollten über ihr Gesicht.
»Denk nicht mehr an ihn«, sagte Serafina in sanfterem Ton. »Es ist ja nichts passiert.« Damit hängte sie sich bei Maria ein und fügte hinzu: »Wollten wir nicht etwas für dich kaufen? Was hältst du von einem Papagei?«
Maria wischte sich mit dem Handrücken die nassen Wangen ab und strahlte ihre Freundin an, die sie nicht zum ersten mal um ihr Naturell beneidete.
Als die Fiametta sich der Insel Zypern näherte, sank die Sonne bereits als blaßrosafarbene Scheibe dem Horizont entgegen. Nur eine Landspitze lag noch zwischen der französischen Galeone und der Garland , und Angelo konnte es kaum noch erwarten, das kleine, schwerfällige Schiff vor seine Kanonen zu bekommen, die denen seines Opfers an Reichweite um mehr als das Doppelte überlegen waren. Er hatte sein Glück kaum fassen können, als er die Garland am Morgen Scanderoon allein verlassen sah und dann erfuhr, daß sie nach Zypern unterwegs sei, wogegen ihre Schwesterschiffe Legacy und Saviour of Bristol in südlicher Richtung nach Alexandria segelten. Es habe Ärger gegeben, hieß es; der Kapitän der Garland wollte seine Ladung – Zinn und Wollstoff – auf Zypern gegen Honig, Terpentin und Alaun eintauschen, wogegen die Kapitäne der beiden anderen wegen der feinen Baumwolle Alexandria anzusteuern beschlossen. Der Kapitän der Garland , ein jähzorniger Mann, habe in einem Wutausbruch zur Pistole gegriffen und so lange damit herumgefuchtelt, bis man ihm seinen Willen ließ – und dann habe er sich nach Zypern aufgemacht, während die Legacy und die Saviour of Bristol ihrerseits ihr Wunschziel ansteuerten.
Angelo alarmierte Hamid, setzte schleunigst Segel und folgte der Garland – in diskreter Entfernung –, und die Korsarengaleere, die dank ihrer Ruderer eine enorme Geschwindigkeit erreichte, folgte wiederum der Fiametta. Nach seinem Aufenthalt in Scanderoon war Angelo entspannt und gutgelaunt. Er hatte ein paar Geschäfte getätigt und Gebote für die Seidenballen gemacht, die mit der nächsten Karawane eintreffen würden. Wenn er und Hamid die Garland überwältigt hätten, bekäme er die
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