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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Straßenräuber, wie ein Hafenarbeiter. Mit steigender Erregung verfolgte der Arzt das Duell. Es erinnerte ihn an Marseille – an die dunklen Gassen, in denen er seinerzeit gelernt hatte, um sein Leben zu kämpfen. Eine Begegnung steht an, hatten die Sterne gesagt.
    Der Targi landete den ersten wirkungsvollen Schlag, schlitzte den Unterarm des Europäers auf. Die Wunde zog sich wie eine dunkle Linie über die gebräunte Haut. Der Verletzte zuckte nicht einmal. Es war wie im Schlachtgetümmel, der Schmerz würde sich erst später bemerkbar machen. Die Tuareg stampften begeistert und feuerten ihren Mann an. Die Beduinenfrauen steuerten ihren seltsamen Gesang bei, mit dem sie ihre Männer auch in den Krieg schickten. Sie lösten ihre Haare, wiegten sich hin und her und schüttelten ihre schweren Armreifen. Nur die Herrin des Europäers saß nach wie vor wie eine Statue da.
    Als nächstes bekam der Targi einen Schwerthieb in die Rippen. Die Nachtluft hatte sich drastisch abgekühlt, aber die Körper der Kämpfenden waren schweißüberströmt. Der Europäer hakte seinen Fuß um das Bein des Targi, und beide Männer stürzten zu Boden. Die aufsteigenden Staubwolken ließen das Feuer spucken und Funken sprühen.
    Sie hatten ihre Schwerter und Schilde verloren und rollten, Hosen und Haut vom Sand ockerfarben, die Dolche umklammernd, über den Boden. Kara Ali schrie unwillkürlich auf, als dem Europäer der Dolch aus der von Schweiß und Blut nassen Hand rutschte. Gleich darauf lag die Klinge seines Gegners an seiner Kehle.
    »Großer Gott!« hörte der Arzt ihn in der plötzlich eingetretenen Stille flüsternd. Englisch! dachte er. Der Mann ist Engländer!
    Und dann rief die Tuareg-Frau in ihrer eigenen Sprache: »Er gehört mir, Hanif!«
    Der Dolch ritzte die Haut des Engländers. Die Zuschauer hielten den Atem an. Langsam, sichtlich widerstrebend, stand der Targi auf, spuckte in den Sand und stolzierte davon.
    Kara Ali verarztete ihn als ersten – zum einen, weil er der Sieger war, und zum anderen, weil seine Verletzung schwerer war. Dann ging er voller Neugier zu dem Engländer.
    Er saß im Zelt der Tuareg-Frau – allein, wofür der Arzt sehr dankbar war, hatte eine Schale mit Wasser und ein paar Tücher auf dem Schoß und versuchte gerade, seine Wunde zu reinigen, als Kara Ali erschien.
    »Bitte überlassen Sie das mir«, ersuchte der Arzt ihn auf französisch. Er sah, daß er verstanden wurde – und abgelehnt. Hastig fügte er hinzu: »Ich bin Arzt, mein Freund, es ist meine Aufgabe, die Dummheiten anderer zu kurieren. Sie vergeben mir hoffentlich, daß ich nicht in Ihrer Sprache mit Ihnen spreche, mein Englisch ist zu schlecht. Französisch, Italienisch, Arabisch, sogar das Hamitisch dieser Leute hier, ja, aber Englisch … Meine Zunge ist nie in der Lage gewesen, diese seltsamen Laute hervorzubringen.«
    Er ließ sich im Schneidersitz auf dem Boden nieder, nahm dem Engländer Schüssel und Lappen ab und begann, die Wunde auszuwaschen. Der Schnitt war lang und tief, aber glatt, er würde schnell heilen. Kara Ali spürte, wie die Anspannung des blauäugigen Engländers allmählich nachließ.
    Nachdem er eine Weile schweigend seine Arbeit getan hatte, sagte der Arzt: »Die Sterne verhießen mir eine Begegnung, mein Freund – sie haben mir unser Zusammentreffen vorausgesagt.«
    »Die Sterne«, antwortete sein Patient verächtlich, »zeigen uns Norden und Süden und die Winter- und Sommersonnenwende – das ist alles.«
    Kara Ali riß ein Baumwolltuch in Streifen und fragte sanft: »Sie glauben nicht, daß sie uns die Zukunft prophezeien?«
    »Sie ermöglichen uns eine Zukunft. Wenn wir uns ihrer nicht bedienen, enden wir auf dem Grund des Meeres oder werden an Felsen zerschmettert, aber sie sagen uns nicht unsere Zukunft voraus.«
    »Nein?« Das Herz des Arztes hatte wieder unregelmäßig zu schlagen begonnen. Er zwang sich, ruhig zu atmen. Seine Hände, die den verletzten Arm bandagierten, zitterten leicht. »Sie sind also Seemann, Monsieur…«
    »Marlowe. Thomas Marlowe. Ja – ich bin Seemann. Steuermann, um genau zu sein, und ich glaube ebensowenig daran, daß unsere Zukunft in den Sternen geschrieben steht, wie ich glaube, daß die Erde eine Scheibe ist und ich irgendwann herunterfalle, wenn ich bis zu ihrem Rand segle. Aber ich danke Ihnen für Ihre Mühe«, setzte er mit einem Blick auf den vollendeten Verband hinzu.
    Er war vor Kara Ali auf den Beinen und zog den alten Mann hoch, und als Kara Ali einen

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