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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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aufflammen sah, war er erneut froh über sein hohes Alter. »Sie befinden sich in einem Zustand der Versklavung«, sprach er weiter. »Einem wohl recht angenehmen«, setzte er hinzu, als das Bild der schönen Frau vor seinem geistigen Auge erstand, »aber es ist und bleibt Versklavung. Doch«, sein Blick traf sich mit dem von Thomas Marlowe, »wenn die Moslems von Ihrer Befähigung als Steuermann erführen, würden Sie Ihr zukünftiges Leben damit zubringen, Korsarengaleeren zu steuern: Gute Navigatoren sind an der BerberKüste Mangelware.«
    Die Drohung stand im Raum – indirekt, aber unmißverständlich. Mit sanfter Stimme fügte der Arzt hinzu: »Denken Sie nach, Monsieur Marlowe. Ich biete Ihnen eine Chance, dem Spinnennetz zu entkommen, in dem diese Frau sie gefangenhält – oder in das Sie sich freiwillig begeben haben, wenn Ihnen das lieber ist.«
    Der Steuermann sah ihn an. Der Zorn in seinen Augen war Begreifen gewichen. Er nickte langsam.
    Kara Ali rief Achmed, damit er Serafina weckte.

DRITTER TEIL
     
    1594
DIE GIER
NACH GOLD
     
Die Gier nach Gold läßt keinen Raum für Vernunft.
Sir Walter Raleighs Entdeckung Guayanas:
Richard Hakluyt

 
 
     
    Kara Ali sah das spöttische Zucken in Thomas' Mundwinkeln, als er Serafina musterte. »Sprachen Sie nicht von einer Tochter, Sir?«
    Es war unmöglich zu erkennen, ob seine Worte sie trafen. Kara Ali wandte sich an das Mädchen, das er wie ein eigenes Kind liebte: »Serafina – dies ist Monsieur Marlowe, der dich nach Marseille zurückbringen wird.« Dann schaute er den Engländer an: »Wenn in diesen Breiten ein Mann und eine Frau mit einem Fischerboot unterwegs wären, würde das sofort Verdacht erregen –ein Mann und ein Junge werden bedeutend weniger auffallen.«
    »So, wie er angezogen ist, sehr wohl«, gab Serafina zu bedenken. Sie hatte die Engländer nie gemocht – und sie machte bei diesem Mann keine Ausnahme. Er war mittelgroß, kräftig, sonnengebräunt, mit einem arroganten Gesicht, umrahmt von schwarzen Locken. Alle Engländer waren hochnäsig. Früher hatten sie große Ländereien in Frankreich besessen, doch sie hatten alle verloren – durch Betrug und Unfähigkeit. Serafina fühlte sich mit ihren kurzgeschnittenen Haaren, dem Jungenhemd und den weiten Hosen höchst unbehaglich, aber sie sagte ruhig: »Er muß sich wie ein Einheimischer kleiden, Papa.« Kara Ali nickte, und Serafina sah Unwillen in Thomas Marlowes Augen aufblitzen. Doch als Achmed sich entfernte, um alles Erforderliche zu holen, sagte der Steuermann lediglich: »Ich werde einen Magneten brauchen. Haben Sie einen?«
    Der Arzt besaß nicht nur einen Magneten, sondern auch umfangreiches Kartenmaterial. Serafina musterte den Mann, der in den letzten sechs Jahren ihr Besitzer und wie ein Vater für sie gewesen war. Seine Haut hatte eine ungesunde fahle Blässe, jede Bewegung schien ihm Mühe zu machen. Sie hatte ihm angeboten, bis zu seinem Tod bei ihm zu bleiben, doch er hatte abgelehnt. Sie wußte, daß sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, und als bei dem Gedanken, mit einem ihr völlig Fremden in einer Nußschale das Meer zu überqueren, Furcht in ihr aufstieg, rief sie sich den Anblick des Kreuzes ins Gedächtnis, mit dem ihr Vater gebrandmarkt worden war. In den letzten Wochen hatte sie immer wieder davon geträumt, seit der Arzt ihr erzählt hatte, wie ihr Vater gestorben war. Tagsüber hatte sie nach wie vor als Badr-al-Dujja, das moslemische Sklavenmädchen, gelebt, doch nachts hallte ihr richtiger Name im Rhythmus der Wellen, die gegen den Rumpf der gekaperten Gabrielle brandeten, und des Jammerns der Gefangenen im Bagno von Algier durch ihren Kopf. Das Schneiden ihrer Haare und das Ablegen der Kleider, die sie inzwischen fast als ihre eigenen akzeptiert hatte – beides war im Auftrag Kara Alis geschehen, nachdem Achmed sie aus dem Schlaf geholt hatte –, entfachte ein Feuer der Erregung in ihrem Herzen.
    Als sie nun neben den gesattelten und bepackten Pferden standen, nahm sie die Hand des Arztes. Sie wußte nicht, was sie sagen sollte – kein Wort wäre ihren Gefühlen gerecht geworden.
    »Allah sei mit dir, Kleines«, sagte Kara Ali leise.
    Sie schaute ihn lange schweigend an. Dann stieg sie auf ihr Pferd und ritt für immer aus seinem Leben.
    Während des Ritts vom Haus des Arztes zur Küste nahm der Engländer weder Rücksicht auf Serafinas Alter noch auf ihr Geschlecht. Er wollte vor Tagesanbruch Segel setzen, bevor die Fischer aufwachten und

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